GroKo ist so stabil wie nie

Geschrieben von: am 24. Sep. 2018 um 11:23

wir_sind_klein / Pixabay

Vor genau einem Jahr ist der Bundestag neu gewählt worden. Auch wenn es nicht so aussehen mag, so war doch die Große Koalition immer das bevorzugte Regierungsbündnis und zwar bei allen im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der Grünen (die unbedingt mit Merkel regieren wollten und immer noch wollen) und der Linken. Nun überbieten sich die Medien im Angesicht der jüngsten Ereignisse um eine Personalfrage wieder darin, die Große Koalition an den Rand eines Abgrunds zu schreiben.

Das stimmt aber nicht. Die GroKo ist so stabil wie nie.

Die Große Koalition soll mal wieder kurz vor dem Zerbrechen gestanden haben, vermelden zahlreiche Medien und auch die Regierungschefin sagt, dass sich die Koalition zu sehr mit sich selbst beschäftige. Dabei haben alle Beteiligten immer wieder, ja man möchte sagen glaubwürdig versichert, dass ein Ende der GroKo nie zur Debatte stand. Warum auch? Es gibt mindestens drei Gründe, die dagegen sprechen:

  1. Die SPD-Führung will einen Bruch auf jeden Fall vermeiden, wie immer wieder betont wird, wenn es gar nicht erforderlich ist, zum Beispiel vor den sogenannten „Krisengipfeln“. Da sich die SPD-Führung somit jedes Druckmittels beraubt, schluckt sie folglich auch jede Kröte.
  2. Die Union weiß, dass SPD-Führung und Teile der SPD-Fraktion nicht identisch mit der Parteibasis sind. Damit lässt sich arbeiten, um eine gewünschte politische Richtung zu etablieren und die SPD-Spitze regelmäßig vorzuführen.
  3. Ein inszenierter Streit nutzt aber auch allen, da die gemeinsamen politischen Beschlüsse, die weder den einen, noch den anderen Anhängern gefallen, leichter beschönigt werden können.

Am Freitag fand beispielsweise der sogenannte Wohngipfel statt, auf dem eigentlich Beschlüsse gefasst werden sollten, die den ungebremsten Anstieg der Mieten aufhalten und mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen können. Herausgekommen ist mal wieder nichts Substanzielles, das aber als Erfolg von allen Koalitionspartnern verkauft worden ist. Die Sozialdemokraten hatten im Vorfeld des Gipfels vollmundig angekündigt, eine Deckelung der Mieten durchsetzen zu wollen. „Mietenwende jetzt“, hieß das Papier von Nahles und Schäfer-Gümbel, das Anfang September in Umlauf gebracht worden ist.

Gut getimt, Frau Nahles

Aus der Forderung wurde nichts, was dann aber auch kaum jemanden interessierte, da ein anderer Brief der SPD-Parteichefin in der Causa Maaßen parallel für mehr öffentlichen Wirbel sorgte. Man ist ja versucht zu sagen, gut getimt, Frau Nahles. Die Medien kapieren es derweil nicht oder machen bewusst bei dem Spiel mit, weil es mehr Klicks bringt als die Berichterstattung über das Einknicken der Regierung vor den Interessen der Immobilien- und Baubranche. Statt mit den Ergebnissen des Wohngipfels beschäftigen sich alle mit den Befindlichkeiten der Großen Koalition, nachdem aus einem Staatssekretär in spe ein Sonderberater geworden ist.

Das heißt, so ganz unerwähnt bleiben die Ergebnisse des Wohngipfels dann doch nicht. Aber aus Ermangelung an journalistischen Ressourcen wird eher auf die Pressemitteilung der Regierung verwiesen. Die spricht natürlich von einem gelungenen Paket, das unter der Überschrift „Gemeinsam für mehr Wohnungen“ geschnürt worden sei. Klingt ja auch toll. Fünf Milliarden Euro für den Sozialen Wohnungsbau, Stärkung der Rechte von Mietern, Baukindergeld und Steuerliche Förderung für den Bau von Mietwohnungen.

Am Problem zu hoher Mieten und den fehlenden Wohnungen ändern diese Maßnahmen aber kaum etwas. Mit Dingen wie dem Baukindergeld werden zudem wieder nur die gefördert, die ohnehin schon viel haben. Menschen, die auf bezahlbare Wohnung angewiesen sind, nutzt das Baukindergeld hingegen wenig. Ja, es soll auch eine Erhöhung des Wohngeldes geben, doch hilft man damit tatsächlich den Mietern oder rechtfertigt man nicht eher den Anstieg der Mieten in den letzten Jahren?

Wenn hauptsächlich die Immobilien- und Baulobby am Verhandlungstisch sitzt und die Vertreter der Mieter nur eine Minute Redezeit bekommen, wird auch nicht wirklich über die Ursachen der Misere gesprochen und schon gar nicht über sinnvolle Reformen. Die könnten zum Beispiel so aussehen, dass man die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften stärkt und den Ausverkauf öffentlicher Wohnungsbestände endlich stoppt. Gelingt das nicht, gilt auch weiterhin der Grundsatz: „Hohe Renditen statt bezahlbare Mieten.“

Fingierte Fehler

Es muss aber genau umgekehrt sein. Nur wird das mit den Ergebnissen des Wohngipfels, die Union wie auch SPD mit dem Staatssekretär Adler in Seehofers Heimatmuseum gemeinschaftlich mittragen, nicht erreicht. Doch worüber regt man sich auf? Auf Springers Nachrichtensender „Welt“ hyperventiliert ein Albrecht von Lucke schon wieder über das gerade noch abgewendete Ende der Großen Koalition. Er gibt ihr mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen kaum noch Überlebenschancen. Politologen waren auch schon mal cleverer.

Natürlich ist klar, dass die Wahlen in Bayern und Hessen für die Groko-Parteien verloren gehen werden. Das wissen die Protagonisten auch und haben daher eine Strategie entwickelt, wie das „Weiter so“ im Bund gerettet werden kann. Das Konzept lautet dosierte Eskalation, die nach den Krisengipfeln mit dem Zauberwort Sacharbeit wieder eingefangen wird. Andrea Nahles tat das erneut per Brief und Angela Merkel legte am heutigen Montag nach. Beide sprachen auch davon, sich geirrt und Fehler begangen zu haben.

So habe die Kanzlerin zu wenig an das gedacht, was die Menschen zu Recht bewege. Auch Andrea Nahles schrieb Ähnliches über das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen. Diese Einsicht folgt aber nicht mit Blick auf den Wohngipfel mit seinen Ergebnissen, die der Mehrheit der Bevölkerung kaum nutzen, sondern mit Blick auf eine alberne Personalfrage im Bundesinnenministerium. Das Schauspiel ist daher ein weiterer Beleg für die im Kern gut funktionierende GroKo-Einheit.

Damit ein Albrecht von Lucke aber nicht sofort darauf kommt, darf Seehofer noch einen Satz einstreuen, der Stoff für weitere Konflikte birgt, was doch auch beabsichtigt ist. So soll der Vorschlag mit dem Sonderbeauftragten bereits beim ersten Krisengipfel auf dem Tisch gelegen haben, sagt Seehofer. Nahles bestreitet diese Darstellung vehement. Mit diesem scheinbaren Widerspruch können sich die Medien jetzt wieder eine Woche lang beschäftigen, ohne konkret auf die „Sacharbeit“ schauen zu müssen.

0

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge