Die Commerzbank fliegt aus der 1. Börsenliga, erfährt der Zuschauer in den Tagesthemen und der Börse vor Acht vom Fachmann der ARD. Dafür zieht der Zahlungsdienstleister Wirecard in den Leitindex ein. Die einen steigen ab, die anderen auf, wie im Fußball also. Sportlich bleiben. Eine Zeitenwende ist der Vorgang noch dazu, da ja Deutschlands zweitgrößte Bank quasi als HSV der Börse den DAX verlassen muss.
Was erfährt der Zuschauer noch? Die teilverstaatlichte Commerzbank sei zu kraftlos, habe zu wenig Substanz und nur noch einen Wert von 10,6 Milliarden Euro, dafür aber 50.000 Mitarbeiter. Der Aufsteiger dagegen bringt mit nur 5000 Beschäftigten 22,5 Milliarden Euro Börsenwert aufs Parkett. Das ist ja ungefähr das Doppelte, rechnet der Experte sicher vor.
Diese Art der Berichterstattung hat nicht einmal Kreisklassenniveau.
Die Commerzbank sei ein Schatten ihrer selbst, urteilt der Börsenfachmann der ARD, dessen Arbeitsbereich täglich im grellen Licht der Aufmerksamkeit steht. Darf man da nicht ein bisschen mehr erwarten? Zum Beispiel einen Hinweis darauf, dass der Steuerzahler einst über 18 Milliarden Euro in das Kreditinstitut pumpte, um es vor dem Kollaps zu bewahren. Das war übrigens das Sechsfache des damaligen Börsenwertes. Nur so am Rande.
Obwohl der Bund aber so viel Geld gab, begnügte er sich nur mit 25 Prozent der Anteile, die er nach unzähligen Kapitalerhöhungen längst nicht mehr besitzt. Was aber noch seltsamer war, der Bund schwieg konsequent zur Geschäftspolitik, wollte lieber ein stiller Einleger sein und keinen Einfluss nehmen. Die Banker durften also weiterwurschteln und den Steuerzahler auch dafür geradestehen lassen, was der Allianzkonzern ein paar Jahre zuvor in den Sand gesetzt hatte.
Die Dresdner Bank. Die Übernahme dieses Instituts durch die Allianz war ein richtig schlechter Deal, weshalb man in der Finanzkrise die Gelegenheit nutzte, das Geldhaus samt schlechter Risiken an die bis dahin eher unbelastete Commerzbank zu übergeben. Der Steuerzahler gab ja schließlich später das Geld dafür, still und leise, wie oben schon erwähnt.
Und dieser noch viel schlechtere Deal lastet bis heute auf der Bank. Sie ist also kein Schatten ihrer selbst, sondern tappt im Dunkeln wie der Börsenfachmann der ARD, der nicht gemerkt hat, dass die Zeitenwende also schon eine Weile zurückliegt. Dafür hat er ein paar ernste Worte über die Wichtigkeit seines Arbeitsbereichs parat und spricht von Signalen, die irgendwo hin… ach lassen wir das.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.