Für Trump war die NATO bekanntlich schon einmal „obsolet“. Der amerikanische Präsident ist aber nicht doof und weiß um die Bedeutung des Bündnisses für alle anderen, die es ja unbedingt als transatlantischen Club erhalten wollen.
Dass Trump seine NATO-Kollegen nun permanent mit den Ausgaben für Verteidigung nervt, hat nichts mit dem Bündnis oder einer Bedrohungslage an sich zu tun. Ihm geht es nur um den wirtschaftlichen Vorteil.
Trump nutzt die NATO als Druckmittel, um etwas ganz anderes zu erreichen. Er sagt es ja auch immer wieder und heute noch einmal, gerade mit Blick auf Deutschland. Die Bundesregierung erfülle ihre Verpflichtungen nicht und mache zudem Geschäfte mit Russland. Die direkte Gasleitung zwischen beiden Ländern Nordstream 2 stört Trump besonders, da er ja gern mehr Geld mit seinem teuren Fracking Gas, made in the USA, machen möchte. Also ist Deutschland das Ziel, auch wenn es, wie zuletzt geschehen, seine Militärausgaben deutlich erhöht, in der irrigen Annahme, Trump damit irgendwie besänftigen zu können.
Ein weiterer Punkt ist der ungelöste Handelskonflikt mit der EU und insbesondere Deutschland, das einfach nicht von seinen dauerhaften Exportüberschüssen lassen möchte. Insofern nutzt Trump die Forderung nach höheren Rüstungsausgaben auch dafür, um Einfluss auf Deutschlands Wirtschaftspolitik zu nehmen. Dummerweise tut die Bundesregierung ihm den Gefallen und schraubt die Investitionen in militärische Güter auch tatsächlich weiter nach oben, wie die deutsche Seite nicht müde wird zu betonen. Da aber gleichzeitig der Grundsatz von schwarz-roter Null und Schuldenbremse nicht angetastet werden darf, leiden notgedrungen andere Ausgaben unter der expansiven Rüstungspolitik.
Das fängt allein schon bei der Entwicklungshilfe an, die ja eigentlich ausgebaut werden sollte, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Viel schlimmer ist aber, dass die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur des Landes weiter auf Sparflamme gehalten werden. Darüber hinaus steht kaum Geld für Bildung, die Qualifizierung von Arbeitslosen, für Pflege und Rente sowie für die Armutsbekämpfung im Allgemeinen zur Verfügung. Alles spricht nur noch über Panzer und Pistolen. Dabei geben die europäischen NATO-Staaten heute schon dreimal so viel für Rüstung aus wie Russland. Eine weitere Erhöhung der Ausgaben ist daher grober Unfug und mit Verweis auf russische Außenpolitik auch nicht zu rechtfertigen.
Schließlich sind es nicht die Russen, die permanent das Völkerrecht brechen, sondern der Westen. Sinnvoller wäre es daher, endlich an die eigenen Sicherheitsinteressen zu denken und in Abrüstungsverhandlungen, die es ja schon einmal gab, einzutreten. Europa muss sich militärisch nicht vor Russland schützen. Europa muss die Partnerschaft wiederbeleben, anstatt die Konfrontation immer weiter fortzuschreiben, die Europa gar nichts, dafür den Amerikanern immer mehr nützt. Die haben nämlich kein Interesse an einem europäischen Wirtschaftsraum, der auch Russland umfasst. Am Ende könnte womöglich Trump selbst mit Russland ein Abkommen aushandeln, um sich wieder als der große Dealmaker zu inszenieren.
Was soll also das devote Auftreten der Europäer gegenüber Trump? Mit einer Steigerung der Verteidigungsausgaben wird sich der amerikanische Präsident eben nicht beeindrucken lassen, selbst wenn diese tatsächlich bei den zwei Prozent liegen würden, wie er verlangt. Europa muss sich emanzipieren von den USA. Vielleicht war der verbale Ausfall Trumps, Deutschland würde von Russland kontrolliert, auch abgesprochen, damit sich Merkel als Gegenspielerin profilieren darf. Die abweisende Haltung der Europäer gegenüber eines Teils von sich selbst, nämlich Russland, bleibt aber so oder so einfach nur dämlich.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.