Die Woche: Neue Runde im Zeitspiel

Geschrieben von: am 30. Jun 2018 um 20:21

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Der Koalitionsausschuss hat in dieser Woche zum ersten Mal getagt, natürlich ohne ein Ergebnis im sogenannten Asylstreit. Das war auch so zu erwarten, betonte Volker Kauder als einer der Beteiligten am Morgen danach. Er verwies auf die Parteigremien von CDU und CSU, die jetzt am Sonntag die Ergebnisse des EU-Gipfels beraten werden, der von Donnerstag auf Freitag in Brüssel stattgefunden hat. Eine Einigung im Asylstreit war zum Zeitpunkt des Koalitionsausschusses nach Kauders Dafürhalten sowieso nicht vorgesehen, da schließlich nur die SPD einmal gucken wollte, wie die Lage denn so ist.

Nun liegen die inhumanen Beschlüsse des EU-Gipfels vor. Die SPD müsste diese eigentlich kritisieren, stellt sich aber wie eh und je an die Seite der Kanzlerin.

Der Gipfel am Dienstag

Beim Spitzentreffen der Koalitionäre im Kanzleramt fanden die Sozialdemokraten heraus, dass sich CDU und CSU noch immer nicht einig sind. Das wusste man zwar auch schon vorher, doch die SPD wollte offensichtlich irgend etwas tun, um bei dem Prinzip „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ nicht das Nachsehen zu haben. Die Sozialdemokraten taten daher so, als seien gerade sie die Stimme der Vernunft, die zur sachlichen Zusammenarbeit aufruft. Herausgekommen ist das Baukindergeld, das vor allem den Wohlhabenderen nutzt.

Jedenfalls trotteten Kauder und Nahles nacheinander (vermutlich doch gemeinsam) am Mittwoch zum Morgenmagazin der ARD, um dort den bekannten Konflikt noch einmal zur Schau zu tragen. Andrea Nahles wiederholte, dass auch sie nicht erwartet hatte, irgend ein anderes Ergebnis in Sachen Asylstreit verkünden zu können, obwohl die Auseinandersetzung innerhalb der Unionsparteien doch der Hauptgrund für die Einberufung des Koalitionsausschusses durch die SPD gewesen war.

Die Sozialdemokraten wollen sich als Unbeteiligte verstanden wissen, in der Hoffnung, dadurch beim Wähler Sympathiepunkte einheimsen zu können. Doch sind sie gar nicht so teilnahmslos, wie sie tun, sondern tragen schließlich eine Verschiebung der Haushaltswoche von Montag auf Dienstag anstandslos mit. Das ist in etwa so, als würde man den Beginn des Achtelfinales bei der Fußballweltmeisterschaft verlegen, da die Mannschaften das dritte Gruppenspiel einfach noch nicht beenden wollen.

Der Gipfel am Donnerstag

Dabei hatte Volker Kauder während des Spiels noch gesagt, dass man das erlösende Tor auch in der 95. Minute schießen könnte. Bei der Zeit lag der Fraktionschef der Union damit komplett daneben, doch das erlösende Tor war für den EU-Gipfel in dieser Woche fest eingeplant. Die stundenlangen Verhandlungen brachten einen angeblichen Durchbruch am Freitagmorgen, wie die Regierungsblätter, die früher mal zur Presse gehörten, vermeldeten. In Wirklichkeit aber taugen die Vereinbarungen zu rein gar nichts, außer einer neuen Runde Zeitspiel im inszenierten Streit der Union.

So kündigte Merkel im Nachgang eine Einigung mit Griechenland und Spanien über die Rückführung von Migranten an (Es sollen sogar noch mehr sein, was einzelne umgehend dementierten). Details dazu sollen aber erst in vier Wochen abschließend verhandelt sein. Damit wäre der Juli schon einmal überbrückt auf dem Weg zur bayerischen Landtagswahl im Herbst. Die geplanten Sammellager für Flüchtlinge heißen jetzt controlled centres, was von der Bundesregierung mit „Kontrollierte Zentren“ übersetzt wird. An mögliche Abkürzungen und Assoziationen hat da wohl keiner der Begriffsfindungsbeauftragten mehr gedacht.

Andrea Nahles auch nicht, sie findet das Brüsseler Ergebnis ausdrücklich gut, fordert aber Qualitätsverbesserungen, so als ob es sich um Kindertageseinrichtungen und nicht um reine Internierungslager handele, in denen Menschen gefoltert, vergewaltigt und als Sklaven verkauft werden. Doch weil die SPD-Spitze so dermaßen an dieser Großen Koalition hängt, heißt sie im Prinzip nun auch Lager in Afrika gut, die mit einem weiteren Unwort als „Ausschiffungsplattformen“ beschrieben werden.

Der Gipfel der Menschenverachtung

Wichtig sei ohnehin nur, dass es eine europäische Lösung mit der EU und nicht gegen sie gegeben habe. Doch was ist an dieser Vereinbarung europäisch, wenn darin die klare Absicht zum Ausdruck kommt, Flüchtlinge wie Verbrecher zu behandeln und ihnen die Grundrechte zu entziehen? Nahles scheint auch nicht erkannt zu haben, dass die europäische Lösung nationale Alleingänge dann doch wieder erlaubt. Denn die Einrichtung von Lagern und die Verteilung von Flüchtlingen geschieht auf freiwilliger Basis.

CSU-Kettenhund Dobrindt sieht sich folglich darin bestätigt, zur Vermeidung von Sekundärmigration weiterhin nicht nur nationale Maßnahmen fordern, sondern auch auf Grundlage der EU-Beschlüsse anwenden zu dürfen. Nahles sieht es anders. Der Streit zwischen den Unionsparteien inklusive ihrem Flügel SPD dürfte damit in die nächste Runde gehen. Unabhängig davon ist es aber gelungen, das komplette politische Koordinatensystem ein deutliches Stück weiter nach rechts zu verschieben. Das wäre vermutlich nicht gelungen, wenn CDU und CSU vor rund zwei Wochen auf ihr Theaterstück im Bundestag verzichtet hätten.

In den Medien wird derweil immer noch behauptet, es handele sich um einen schlimmen Krach, der sogar zur Trennung von CDU und CSU und schließlich zum Scheitern der gesamten GroKo führen könnte. In Wirklichkeit sind sich CDU, CSU und SPD einig wie nie. Sie wollen nicht über Fluchtursachen sprechen, die unmittelbar mit ihrer Politik zu tun haben. Deshalb reden sie über Flüchtlinge und ein mögliches Scheitern der Regierung. Das versetzt sogar die AfD in Schrecken, die Merkel als eine Art Lebensversicherung an der Spitze dieser Regierung braucht.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  Juli 1, 2018

    Aus der Erinnerung betrachtet, haben Politiker jedweder Coleur schon immer alles! unternommen um sich an ihren Fleischtöpfen der Politmacht satt zu futtern, so auch jetzt in der Flüchtlingskrise.
    Und das ganze kann nur deshalb so zielführend klappen, weil die 4. Gewalt im Staate schon seit längerem nicht mehr ihrem Auftrag als Kontrollorgan der Politik nachkommt.
    Nein, ganz im Gegenteil, so wird diesem politischem Schmierentheater erst die Plattform zur gelenkten Meinungsmache in den Massenmedien, Handinhand, bereitstellt.
    Wer die Medien besitzt und gezielt nutzen kann, kontrolliert die gelenkte Meinung im Land.

  2. Jörg Wiedmann  Juli 1, 2018

    Zunächst wäre es wichtig endlich zwischen „Flüchtlingen“ und „Migranten“ zu unterscheiden.
    Das jeder „Flüchtling“ selbstverständlich ein Recht auf Asyl hat und auch in Deutschland einen Asylantrag stellen kann muss nicht diskutiert werden sondern sollte Konsens aller Parteien sein.
    Grundlage dafür ist aber das die Identität des „Flüchtlings“ zweifelsfrei festgestellt wird.
    Für die Migration benötigt die EU ein Einwanderungsgesetz wie z.B. Kanada. Beantragen Sie einmal eine eTA (Reisegenehmigung) für Kanada, dann wissen Sie was bei der Migration in die EU komplett falsch läuft.
    Auch wenn ich das Risiko eingehe in die „rechte“ Ecke gestellt zu werden: Wer keine gültigen Papiere vorweisen kann und wessen Identität nicht zweifelfrei geklärt ist darf nicht einfach so in die EU einreisen. Punkt.
    Nun zu den Ergebnissen des „Merkelgipfels“ :
    Kurzversion: Nichts
    Langversion: absolut gar nichts.
    Die EU hat sich endgültig von einer „europäischen Lösung“ verabschiedet -wobei die EU natürlich nicht Europa iat auch wenn es immer so gesagt oder geschrieben wird- denn nun macht jeder „freiwillig“ was er will oder eben auch nicht.
    Dieser EU Gipfel ist für die EU und insbesondere Frau Merkel der Supergau auch wenn die „Merkelmedien“ immer noch versuchen das ganze als Erfolg zu verkaufen.
    Der fünf Punkte Plan der SPD zeigt das die SPD wie Merkel entweder zu blöd sind zu verstehen oder einfach nicht verstehen wollen. Die Forderung : „“europäisches Asylsystem und solidarisch geteilte Verantwortung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen“. ist reines Wunschdenken. Die Tschechen, Ungarn und Polen haben doch klipp und klar gesagt, das sie so eine Lösung keinesfalls mittragen werden und die Italiener auch nicht. Wie wäre es endlich einmal einen Plan zu machen der auch die Chance auf Umsetzung hat ?