Trump hat es wieder getan. Er hat alle mit zwei Twitter-Nachrichten überrascht. Wobei man strenggenommen ja damit rechnen musste, es also nur dann eine Überraschung hätte sein können, wenn der amerikanische Präsident es nicht getan hätte und still geblieben wäre. Doch Trumps Bestnote 10 ist kaum mehr wert als Merkels vollstes Vertrauen einem x-beliebigen Bundesminister gegenüber.
Um es klar zu sagen, der G7-Gipfel ist keinesfalls am „irren“ Trump gescheitert, sondern an den übrigen Teilnehmern, die jeden Formelkompromiss, der irgendwie von allen Partnern mitgetragen werden könnte, als Erfolg verkaufen. Seltsamerweise schaut niemand in das Abschluss-Kommuniqué, das Trump mit seinem Verhalten torpediert haben soll. Was steht denn drin? Dort steht im Grunde nur, dass man sich nicht einig ist. Trump hat also auch im Nachhinein nichts kaputtmachen können, das nicht schon vorher ramponiert gewesen war.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte vor dem Gipfel ja selbst, dass es wenig Sinn habe, bestehende Konflikte zuzukleistern. Trump nahm sie also nur beim Wort, als sie und die anderen genau das im Abschluss-Dokument wie auch bei den Pressestatements versuchten vorzugaukeln. Natürlich meinte Merkel nicht den Handelsstreit, sondern den Vorschlag Trumps, Russland an den Verhandlungstisch zurückzuholen. Das war wieder so eine Überraschung mit der viele nicht rechneten. Doch wer genau hinschaut, erkennt die Strategie des „Irren“ im Weißen Haus, der so irre gar nicht ist.
Trump nutzt nur das konsequent aus, was die Europäische Union seit Jahren mit Blick auf sich selbst verleugnet. Die eigene selbstverschuldete innere Zerrissenheit. Durch die deutsche Dominanz und dem Diktat der strikten Haushaltsdisziplin ist Europa defacto am Ende. Italien hat deshalb jüngst eine neue Regierung bekommen, die nicht nur EU-kritisch eingestellt ist, sondern von Brüssel auch eine andere Position zu Russland und den verhängten Sanktionen fordert. Italiens neuer Regierungschef Giuseppe Conte reagierte daher zunächst wohlwollend auf Trumps Vorschlag, bevor Merkel regulierend eingriff. Wer dahinter keine Absicht der Amerikaner erkennt, muss doch blind sein.
Panikmodus
Trumps Ziel bleibt, die schon bestehende Spaltung der EU weiter zu forcieren und damit vor allem auch Deutschland mit seinem einseitigen Wirtschaftsmodell zu treffen. Da helfen auch keine vagen Abschlusserklärungen mehr oder Lippenbekenntnisse zur Einheit Europas. Berlin und Brüssel, die das jetzt immer wieder fordern, haben die Gemeinschaft mit ihrem Austeritätsdogma vorher rücksichtslos zerstört. Auf dieser Grundlage sind Einigungen ohnehin sehr schwierig geworden. Trump stiftet daher wohlüberlegt chaotische Verhältnisse, um zu bekommen, was er will. Die deutsche Exportwirtschaft scheint jedenfalls derart in Panik, dass die Autolobby bei der EU inzwischen darum bettelt, die Einfuhrzölle auf amerikanische Fahrzeuge zu senken, um Trump zu besänftigen.
Als über den Klimaschutz und den Plastikmüll in den Weltmeeren in Kanada gesprochen wurde, war der US-Präsident schon gar nicht mehr dabei. Das Thema interessiert ihn einfach nicht, weshalb die übrigen sechs zu eigenen Verabredungen kamen. Doch was sind die schon wert? Im Entwurf des Klimaschutzberichts der Bundesregierung, den das Kabinett in der kommenden Woche verabschieden will, heißt es, Deutschland werde seine selbst gesetzten Ziele für das Jahr 2020 um acht Prozent verfehlen. Statt den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken, werde man wohl nur 32 Prozent schaffen. Da fehlt es am beispielhaften Vorbild. Parallel dazu streitet die Bundesregierung auch über die CO2-Grenzwerte bei Autos. Verkehrsminister Scheuer trumpelte schon mal laut: „Die Vernichtung einer europäischen Leitindustrie mache ich nicht mit!“
So sieht dann der deutsche Kampf gegen Protektionismus aus. Deutsche Autos first. Beim Kernkonflikt Handel hatten sich die G7-Teilnehmer auf die wohl schwammigste Formulierung geeinigt, die es gibt. So ist zu lesen, dass es nach schwierigen Verhandlungen gelungen sei, die zentrale Bedeutung eines regelbasierten internationalen Handelssystems zu betonen. Wow. Wer wollte das denn nicht? Das Problem ist nur, dass jeder die Regeln eben anders interpretiert und daran wird sich auch künftig wohl nichts ändern. Schon bei den Abschlusserklärungen wurde deutlich, dass ja rein gar nichts gelöst worden ist. Das räumte sogar die Bundeskanzlerin vor ihrem Abflug ein, als sie sagte, dass der Dissens mit den USA in Handelsfragen weiterhin fortbestehe. Deutlicher kann man ja nicht sagen, dass das Abschluss-Kommuniqué aus nichts anderem, als einem gespielten guten Willen für die Weltöffentlichkeit besteht.
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.