Mittwochs tagt in der Regel das Kabinett. Die Mitglieder der Bundesregierung kommen zusammen und fassen Beschlüsse, über die der Bundestag dann noch abstimmen muss. An diesem Mittwoch war die Tagesordnung aber kurz, weil sich die SPD mit ihrem Wunschthema mal wieder nicht durchsetzen konnte.
So hat die Union immer noch Beratungsbedarf bei der sogenannten Brückenteilzeit. Das ist natürlich eine Beschönigung, da seit exakt einem Jahr in dieser Frage rein gar nichts geschieht. Dabei sind feste Vereinbarungen in den Koalitionsverträgen von gleich zwei Regierungen getroffen worden. Darauf wies auch die SPD-Fraktionsvorsitzende kürzlich wieder hin, als sie mit resoluter Stimme sagte: „Es gibt nichts mehr zu reden, es gibt nur noch die Umsetzung.“ Auch Arbeitsminister Hubertus Heil erwartete keine weiteren Verzögerungen. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen wie immer bei der SPD weit auseinander. Die Union will nicht, dann gibt es halt auch nichts, außer das Gejammer der SPD.
Placebo-Effekt
Tragisch wäre ein Scheitern im Grunde aber auch nicht, da die SPD mit ihrem Gesetzentwurf selbst die Grundlage dafür geschaffen hat, dass sich im Prinzip nichts ändert. So würden die meisten Arbeitnehmer ohnehin ausgeschlossen, da der Rechtsanspruch nur in Betrieben mit mehr als 45 Beschäftigten gelten soll. Ursprünglich hatte die Arbeitsministerin Nahles im letzten Jahr die Grenze bei 15 Beschäftigten analog zum Teilzeit- und Befristungsgesetz ansiedeln wollen. Das scheiterte aber am Widerstand der Union. Sie selbst war auch nicht bereit, eine höhere Grenze ins Gesetz zu schreiben, da man dadurch ja nur einen Placebo-Effekt erreichen würde.
Nach der Bundestagswahl sieht die Sache nun anders aus. Der Erneuerungsprozess hat begonnen und damit auch die Bereitschaft, Placebos als ganz großen Wurf mit herausragender therapeutischer Wirkung zu verkaufen. Millionen Frauen würden in der Teilzeitfalle hängen gelassen, dramatisiert die SPD. Dabei sind es die Sozialdemokraten selber, die dafür Sorge tragen. Denn in dem neuen Entwurf von Hubertus Heil steht auch eine Zumutbarkeitsklausel drin, die es Arbeitgebern erleichtert, die Wünsche von Arbeitnehmern einfach abzulehnen. Zum Beispiel dürfte von jeweils 15 Beschäftigten nur einer die Brückenteilzeit beanspruchen. Bei mehr Arbeitnehmern gibt es weitere Staffelungen.
Im Kern geht die Regelung an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer ohnehin vorbei, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei Befragungen kürzlich noch einmal herausgefunden hat. Demnach wünschen sich die Befragten eine befristete Verkürzung ihrer Arbeitszeit von unter einem Jahr. Das sieht der Gesetzentwurf von Hubertus Heil nur leider nicht vor. Dafür wird die vage Hoffnung geäußert, dass sich die Tarifparteien selbst auf entsprechende Regelungen verständigen können. Nur warum braucht es dann ein Gesetz?
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Anträge auf eine befristete Arbeitszeitverkürzung von weniger als einem und mehr als fünf Jahren abgelehnt werden können. Den Ergebnissen der Befragung zufolge bliebe dann ein substanzieller Teil der Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit temporär verringern möchten, unberücksichtigt. Denn etwa ein Drittel von ihnen möchte dies nur für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr tun (siehe Abbildung 2). Wie eine hier nicht dargestellte Analyse zeigt, wünscht sich diese Teilgruppe ganz überwiegend eine eher kurze Arbeitszeitreduktion von nicht mehr als sechs Monaten. Sie würden also von der geplanten Regelung nur dann profitieren, wenn sich die Tarifpartner auf eine entsprechende Regelung verständigen oder der Arbeitgeber seine Zustimmung erteilt.
Es geht nur um PR und Militär
Ein zum Leben passendes Arbeitszeitmodell bleibt daher mit oder ohne Gesetz weiterhin überfällig. Dennoch erfüllt die Debatte um das große Nichts eine wichtige Funktion. So will die SPD einen Erfolg beim „Rückkehrrecht“ als positive PR unbedingt für sich verbuchen. Die Union weiß das und hofft auf einen großen Deal. Noch mehr Geld für die Rüstung ist das Ziel. Das hatte die SPD bislang aber abgelehnt. Doch für ein großes Nichts dürfte so mancher Spitzen-Sozi dann doch weiche Knie bekommen. Immerhin gab es ja am Mittwoch wieder große Einigkeit bei der Verlängerung von Bundeswehreinsätzen im Ausland. So etwas lässt sich ja schließlich nicht verschieben, blockieren oder gar mal beenden, nach mittlerweile 19 Jahren (KFOR). Darf man da eigentlich schon von Besatzung sprechen?
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.