Kurz notiert: Gegen die Wand

Geschrieben von: am 22. Mai 2018 um 13:05

  • Der Tatvorwurf Rebellion ist von vornherein unzulässig, hatte das Oberlandesgericht in Schleswig im Fall Puigdemont entschieden. Eine schallende Ohrfeige für die Generalstaatsanwaltschaft, die das deutsche Strafrecht offenbar nicht kennt. Das hindert dieselbe Behörde aber nicht daran, noch einmal vor dieselbe Wand zu laufen.
  • Nun gebe es angeblich neue Hinweise auf Gewalttätigkeiten gegen Polizisten, natürlich wieder aus spanischer Quelle.
  • Die Generalstaatsanwaltschaft hält damit den Tatvorwurf der Rebellion immer noch für gegeben.

„Die Ausschreitungen hatten ein solches Ausmaß, dass die Generalstaatsanwaltschaft davon ausgeht, dass auch wegen des Vorwurfs der Rebellion auszuliefern ist“, teilte die Behörde mit. Offenbar scheint die Staatsanwaltschaft nicht einmal die Begründung der Richter ernsthaft gelesen, geschweige denn verstanden zu haben. Die schrieben zu ihrer Entscheidung vom 5. April:

Eine Auslieferung des Verfolgten wegen des Straftatbestands der Rebellion gemäß Art. 472 Abs. 5 und 7 des spanischen Strafgesetzbuches komme aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Das dem Verfolgten zur Last gelegte Verhalten wäre in der Bundesrepublik Deutschland nach hier geltendem Recht nicht strafbar. Der in Betracht kommende Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, weil es an dem Merkmal der „Gewalt“ fehle.

Ja, das Merkmal der „Gewalt“ fehle. Das haben die spanischen Behörden nun offenbar nachgeliefert, nach über einem Monat. Das findet die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein aber nicht etwa seltsam, sondern fungiert mal wieder als eine Art Erfüllungsgehilfin. Dabei bräuchte die Anklagebehörde nur den Spruch der Richter ordentlich zu Ende zu lesen.

Nach den vom Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall aufgestellten Grundsätzen reiche es für die Verwirklichung des Gewaltbegriffs nicht aus, dass ein Täter Gewalt androht oder anwendet, um ein Verfassungsorgan zu einem erstrebten Handeln zu veranlassen. Erforderlich sei vielmehr, dass von der gegenüber Dritten ausgeübten Gewalt ein derartiger Druck auf das Verfassungsorgan ausgehe, der geeignet ist, den entgegenstehenden Willen des Verfassungsorgans zu beugen. Das sei hier nicht der Fall. Zwar seien dem Verfolgten als Initiator und Verfechter der Umsetzung des Referendums die am Wahltag stattgefundenen Gewalttätigkeiten zuzurechnen. Diese seien nach Art, Umfang und Wirkung jedoch nicht geeignet gewesen, die Regierung derart unter Druck zu setzen, dass sie sich „zur Kapitulation vor der Forderung der Gewalttäter“ gezwungen gesehen hätte.

Welches Videomaterial, das bislang noch gar nicht bekannt ist, soll denn an dieser eindeutigen Schlussfolgerung etwas ändern können? Standen die spanischen Verfassungsorgane tatsächlich kurz vor der Kapitulation? Und müssen die Berichte der Tagesschau nun nachträglich korrigiert werden? Es stellt sich eigentlich nur eine Frage und zwar die, ob bei der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein nicht nur juristische Analphabeten arbeiten. Und was ist mit der Fach- und Dienstaufsicht, also der Justizministerin, die in Sachen Kompetenz einmal nachfragen könnte, um wiederholte Blamagen ihrer Behörde zu vermeiden?

Das Oberlandesgericht lehnte den Antrag des Generalstaatsanwalts auf Wiederinvollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls jedenfalls ab. Begründung: Keine Fluchtgefahr. Oder anders ausgedrückt: Das neue Material scheint nicht wirklich belastend zu sein.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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