Endlich in den Spiegel schauen

Geschrieben von: am 21. Mai 2018 um 20:32

SarahRichterArt / Pixabay

Der „Musterschüler Deutschland“ steht zunehmend unter Druck. Trump droht mit gezielten Schlägen im Handelskonflikt, die Italiener stellen eine neue Regierung auf die Beine, die ganz resolut mit dem deutschen Spardogma in Europa bricht und die Rechten hierzulande legen weiterhin zu. Wer ist schuld an der Misere? Böse Kräfte, ja ganz sicher, aber auf jeden Fall natürlich immer die anderen.

Dabei wird es langsam Zeit, einmal in den Spiegel zu schauen.

Die deutsche Wirtschaft ist für Härte gegen Trump, ist zu lesen.

Die Zeiten seien „offenbar erst einmal vorbei“, dass die USA ein Garant für freien und fairen Welthandel auf der Basis von international geltenden Regeln seien.

Das ist eine völlig verdrehte Perspektive. Denn wo steht eigentlich geschrieben, dass Deutschland dauerhaft Exportüberschüsse haben darf? Ein fairer Welthandel funktioniert dagegen nur, wenn alle auf ihre Leistungsbilanzen achten und diese möglichst ausgeglichen gestalten. Das hat Deutschland wiederholt nicht getan, sondern permanente Überschüsse vielmehr als Beleg einer besonderen Wettbewerbsfähigkeit verstanden, die angeblich nur auf der ausgezeichneten Qualität deutscher Handelsgüter beruht. Beim Handel geht es allerdings weniger um die Qualität, sondern in erster Linie um den Preis. Wäre es anders herum, bräuchte Deutschland Zölle ja nicht zu fürchten.

Der Junkie ist in Sorge

Doch Deutschland fürchtet sich so sehr, dass es selbst die Reaktivierung eines „Blocking Statute“ der EU-Kommission skeptisch sieht. In diesem Blog ist bereits darauf hingewiesen worden, dass dem deutschen Wirtschaftsminister seit Wochen und Monaten nichts Besseres einzufallen scheint, als das bestehende System, das den Schaden erst angerichtet hat, weiterhin stur zu verteidigen. Aus Peter Altmaiers Sicht würde eine Verschärfung des Handelsstreits allen noch mehr schaden. Aber auch diese Sicht der Dinge ist falsch. Den größten Schaden werden Deutschland und seine Arbeitnehmer zu tragen haben, da die bloßen Forderungen auf dem Papier, nichts anderes ist der Exportüberschuss ja, im schlimmsten Fall einfach abzuschreiben wären. Dem Junkie droht damit der kalte Entzug.

Die international geltenden Regeln, deren Einhaltung von der deutschen Wirtschaft und Teilen der Politik vor lauter Schreck immer wieder gefordert werden, geben daher auch nicht ihnen recht, sondern Trumps Reaktion auf das, was Deutschland fälschlicherweise einen freien und fairen Handel nennt. Nun kündigen die USA die stärksten Sanktionen der Geschichte an und Firmen, die „verbotene Geschäfte“ mit Iran machen, würden zur Verantwortung gezogen. Das zeigt, dass es Trump auch weiterhin nicht interessiert, was der unterwürfig agierende Altmaier zu jammern hat. Er will einen Deal wie den mit China, das seit Sonntag bereit ist, den bestehenden Leistungsbilanzüberschuss mit den USA zu reduzieren. Damit wächst der Druck auf Europa und insbesondere Deutschland weiter an.

Die Bundesregierung ist mittlerweile das schwächste Glied in der Kette, da es von allen anderen Europäern wegen seiner extremen Exportabhängigkeit auch am meisten zu verlieren hat. Dagegen kann Frankreich vergleichsweise härter gegenüber den USA auftreten, da das Land eine ausgeglichene Handelsbilanz besitzt und zusätzliche Beschränkungen beim Export durch eine stärkere Binnenkonjunktur kompensieren könnte. Deutschland, das gerade eben erst wieder einen Haushalt voller schwarzer und roter Nullen vorgelegt hat, kann das nicht. Die beabsichtigten Investitionen bleiben mit 45 oder 55 Mrd. Euro lächerlich niedrig angesichts eines bestehenden Sanierungsstaus von über 120 Mrd. Euro. Der Leistungsbilanzüberschuss ändert sich daher auch in der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung nur minimal. Deutschland bleibt damit anfällig und Trump weiß das.

Der deutsche Euro vor dem Aus

Hinzu kommt das politische Desaster in Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone. Lega und Fünf Sterne wollen ein Regierungsbündnis mit einem Programm eingehen, das es in sich hat. „Wir werden das Gegenteil von dem machen, was die früheren Regierungen getan haben“, sagte Lega-Chef Matteo Salvini am Samstag. Die Regierungsmannschaft, auf die sich die Lega mit den Fünf Sternen geeinigt habe, sei endlich eine, die nicht „per Fax aus Brüssel, Paris oder Berlin“ komme. Die künftige Regierung will sich vor allem dem Spardogma Brüssels und Berlins widersetzen und stattdessen eine expansive Ausgabenpolitik in Angriff nehmen, um die Wirtschaftskrise endlich zu überwinden. Eigentlich sehr vernünftig, wenn da nicht der „deutsche Euro“ wäre.

Vor allem Berlin setzt seit Jahren seine Vorstellung von Haushaltsdisziplin im Süden Europas durch. Das Ergebnis dieses irrsinnigen Kurses kann man auch in Italien besichtigen. Hinter Griechenland und Spanien hat das Land mit über 30 Prozent eine der höchsten Jugendarbeitslosigkeitsquoten in der Europäischen Union. Deutschland trägt also eine Mitverantwortung für das schwierige Wahlergebnis und eine neue unbequeme Regierung, die nun ins Amt kommen will. Doch statt der Einsicht oder einen Hauch von Selbstreflexion tönt von deutscher Seite schon wieder das übliche herablassende Geschrei, das nicht nur nach der bekannten Besserwisserei klingt, sondern auch unverhohlen nach einer Einmischung von außen verlangt. So solle die EZB wie bei Griechenland und Zypern ihre Muskeln spielen lassen, um den „Machthabern in Rom“ klarzumachen, dass sie doch mit dem deutschen Euro zahlen.

Doch der ist am Ende. Möglicherweise wird sich allmählich die Erkenntnis durchsetzen, dass vor allem mit Deutschland eine Stabilität der Eurozone nicht zu haben ist. Die Kritik an den deutschen Exportüberschüssen und den ausbleibenden Investitionen eint schließlich den Süden Europas mit Amerika. Trump hat das wohl längst erkannt und setzt auf die sichtbare Zerrissenheit. Die Einheit Europas, die vor allem von Deutschland jetzt immer lauter beschworen wird, ist dagegen nur noch ein hohles Geschwätz. Es ist die gespielte Ignoranz in Gegenwart eines Dilemmas, das man selbst zu verantworten hat. Da sich die Haltung der Bundesregierung trotz alledem aber nicht ändern wird, fallen ihre Zustimmungswerte weiter. Die Rechten werden dagegen auch hierzulande immer stärker. Sie bestimmen mit ihren Themen schließlich den Diskurs. Dieser führt nur konsequent von der Aufklärung weg.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  Mai 22, 2018

    .. was diese erdrückende Politikignoranz in Sachen Euro, so richtig zornig machen läßt, ist die angestrebte Eurohaftungsunion.
    Da könnte einem übel werden, mit welcher Selbstherrlichekeit wir Bürgen in die Rezession befördert werden sollen, so als wäre das alles ein Alternativlosspiel ala Merkel.
    In Wirklichkeit wird damit einem rechten Tsunamie im EU Europa der Weg geebnet. Das kann doch nicht sein, dass diese Fehlentwicklung einfach so passiert ??

  2. Jörg Wiedmann  Mai 24, 2018

    Der Euro wäre möglicherweise zu retten wenn die BRD aus der Eurozone aussteigen würde. Die „neue DM“ würde gegenüber dem Euro sehr wahrscheinlich ziemlich stark aufwerten und das wäre auch gut so. Für die Exporte nicht ganz so prickelnd, aber im Gegenzug würden sich die Importe deutlich verbilligen und somit würde auch der Handelsüberschuss endlich wieder in vernünftige Bahnen kommen.
    Aber unsere Politkasper indoktriniert von den sogenannten „Wirtschaftsweisen“ -ich lach mich schlapp- oder von „Typen“ wie Ifo Chef Clemens Fuest, haben schon lange das selbstständige Denken eingestellt.
    Unsere Ersparnisse sind schon lange über Target2 / ESM usw.. verzockt nur der deutsche Michel hat es leider noch nicht kapiert.

  3. Jörg Wiedmann  Mai 24, 2018

    Kleine Notiz am Rande: Es war ziemlich schlau von der CDU auf das Finanzministerium zu verzichten, denn das es nochmals vier Jahre so „gut“ weitergehen würde war ja nicht wirklich zu erwarten. Leider hat das die SPD -wie vieles andere auch- mal wieder nicht gecheckt.
    Und ob „schwarze Null“ oder „rote Null“ spielt ja nun nicht wirklich eine Rolle.
    Merkel und Schäuble sind fein raus und wiedermal die „Sozen“ Schuld, aber auch das ist nicht wirklich dramatisch, weil die SPD ja wirklich alles daran setzt 2021 an der 5% Hürde zu scheitern.