Es ist das Thema des Tages. Die erste Haushaltsrede der AfD-Fraktion, gehalten von Alice Weidel. Sie durfte in der Generaldebatte um den Kanzlerinnenetat am Morgen als erste ran, und sie hatte sich ganz fest vorgenommen, eine Schlagzeile zu produzieren. Nur hat Weidels Rede Merkel eher genutzt, denn geschadet. Die Kanzlerin brauchte nur guten Morgen zu sagen, kurz innezuhalten und ihre Hände auf das Pult plumpsen zu lassen und schon war der erschreckende Auftritt Weidels passend kommentiert.
Der AfD-Fraktionsvorsitzenden ist es lediglich gelungen, Merkel wieder sympathisch und seriös erscheinen zu lassen. Eine tolle Leistung von der Partei, die eigentlich jagende Opposition sein will.
Im Grunde lieferte Weidel mit ihren kalkulierten Grenzüberschreitungen nur einen Vorwand für die Öffentlichkeit und die eigene Anhängerschaft, damit die sich nicht mit dem konkreten politischen Handeln beschäftigen müssen. Würde man sich hingegen inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen, wäre schnell klar, dass sie sich von den übrigen neoliberalen Parteien im Kern kaum unterscheidet. So betet Frau Weidel ebenso die Schwarze Null an, kritisiert nur, dass dieses Ziel auf Kosten der Sparer nur scheinbar erreicht worden sei. Das stimmt.
Durch die Nullzinspolitik der EZB profitiert der Finanzminister enorm. Konkret, und das hat Weidel nicht genannt, weil neben der Hetze eben kaum Zeit war, sind es seit Ausbruch der Finanzkrise 162 Milliarden Euro, die der Staat beim Schuldendienst eingespart hat. Die Kehrseite dieses Geldsegens für den Fiskus besteht wiederum in den niedrigen Zinsen auf Spareinlagen der normalen Bürger, die zusätzlich, und das hat Frau Weidel (die Ex-Bankerin) auch nicht genannt, durch immer höhere Gebühren der Banken inzwischen zur Kasse gebeten werden.
Breiter Konsens
Stattdessen benennt Weidel ausgerechnet Bernd Raffelhüschen als Kronzeugen, obwohl der nachweislich als Lobbyist der Versicherungswirtschaft seinen Beitrag zur Zerstörung der gesetzlichen Rente geleistet hat. Raffelhüschen habe eine Generationenbilanz erstellt, die eine gigantische Gesamtverschuldung beinhalte, unter der die künftigen Generationen irgendwann zu leiden hätten. Diese alberne Vorstellung vom erdrückenden Schuldenberg ist breiter Konsens. Wer sich die Reden von CDU, CSU, SPD und FDP anhört, wird das in abgewandelter Form immer wiederfinden. Denn die Dämonisierung von Schulden ist die Grundlage einer Haushaltspolitik, die nach ständiger Ausgabendisziplin verlangt.
In ihrer Rede stellte Weidel dann auch klar, dass es ihr wie FDP und Co nur um Steuersenkungen geht („Es ist endlich Zeit für eine ehrliche Entlastung.“). Der Spitzensteuersatz sei zu hoch und müsse demnach gesenkt, dagegen der Grundfreibetrag deutlich angehoben werden. Und jetzt kommt’s: „2000 Euro brutto im Monat steuerfrei, das wäre doch einmal visionär.“ Vielleicht können das andere noch besser berechnen, aber eines ist doch klar. Wer den Spitzensteuersatz senken und den Grundfreibetrag gleichzeitig deutlich erhöhen will, entlastet vor allem die Besserverdiener, weil die ja schließlich genauso vom höheren Grundfreibetrag profitieren, wie Gering- und Normalverdiener.
Arm gegen arm
Da das für letztere nicht gleich offensichtlich ist, werden sie von der AfD in der Rentenfrage schnell hinters Licht geführt. Und da kommen wir zum eigentlich Kerngeschäft der AfD, das im Grunde nur eine konsequente Fortsetzung von dem ist, was andere vor ihr auch schon betrieben haben. Das Ausspielen von arm gegen arm. Da ist Herbert W., der seine kümmerliche Rente mit Flaschensammeln aufbessert (das ist übrigens durchaus richtig beschrieben) und dann noch Sami A., ein angeblicher Leibwächter von Osama bin Laden, der nie ins Rentensystem eingezahlt hat, aber dennoch eine offenbar üppige Zuwendung vom Staat bekommt, die für Ausflüge ins Grüne reicht.
Diese bildliche Gegenüberstellung ist bewusst gewählt, um ganz allgemein von der Zerstörung des Sozialstaats durch fortwährende neoliberale Politik abzulenken, die die AfD in einem noch viel schärferen Maße weiter mittragen würde. Sie lamentiert zwar über Altersarmut und kaputte Infrastruktur, will aber nichts von einer Stärkung der gesetzlichen Sicherungssysteme, Steuererhöhungen für die Reichen oder höheren Investitionen wissen. Und so stärkt die AfD auch mit ihren bewusst gewählten Provokationen am Ende nur jenes „System Merkel“, das sie vorgibt zu verabscheuen. Weidel sagte zum Schluss, dass das Land von Idioten regiert würde. Das kann man so sehen. Teile der Opposition, insbesondere die AfD gehört aber zum erlauchten Kreis dieser Idiotie ganz sicher dazu.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.