Heute hat sich die Bundesregierung in den Fall Seppelt eingeschaltet. „Wir appellieren an die russische Staatsführung, diesem deutschen Korrespondenten die Einreise zur Berichterstattung über die Fußball-WM zu ermöglichen,“ sagte Regierungssprecher Steffen Seibert auf der Bundespressekonferenz. Seibert forderte sogar die FIFA auf, sich „mit allem Nachdruck“ für Seppelt einzusetzen.
Die freie Berichterstattung über die Weltmeisterschaft müsse gewährleistet werden. „Wir sind der Überzeugung, es stünde Russland als Gastgeber schlecht an, wenn es so offensichtlich die Presse- und Meinungsfreiheit vor den Augen der Welt beschnitte.“ Starke Worte, aber im Grundsatz sehr verlogen.
Warum hat Seibert den Russen nicht einfach vorgeschlagen, einen Akkreditierungsbeauftragten zu ernennen? So jemanden gibt es nämlich mutmaßlich in Seiberts Behörde seit Ende letzten Jahres, nachdem bekannt geworden war, dass das Bundespresseamt zum G20-Gipfel in Hamburg rund 30 Journalisten erst auf schwarze Listen setzen und ihnen dann zu Unrecht die Akkreditierung entziehen ließ. Seibert hat nämlich nachträglich erkannt, dass es Deutschland als Gastgeber schlecht zu Gesicht stünde, so offensichtlich die Presse- und Meinungsfreiheit vor den Augen der Welt zu beschneiden.
Doch Spaß beiseite. Die Bundesregierung hat tatsächlich das Auswärtige Amt in der Angelegenheit Seppelt eingeschaltet. Unfassbar. Wegen so einer Lappalie. Aber wenn der amerikanische Botschafter mal eben die deutsche Wirtschaft per Twitter auffordert, umgehend die Geschäfte mit Iran einzustellen, ist das natürlich kein Grund für eingehendere Konsultationen. Im Gegenteil. Die Bundesregierung sagt zwar, das Atomabkommen mit Iran sei nicht tot, will aber überhaupt nichts für den Schutz deutscher Unternehmen tun. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte am vergangenen Freitag im Deutschlandfunk:
Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen oder sie davon auszunehmen…
Aber ein Hajo Seppelt. Für ihn werden alle Räder der Diplomatie in Gang gesetzt. Es sind ja nicht die Amerikaner, die ihm die Einreise verweigern. Übrigens: Die USA planen über ihr Heimatschutzministerium die Einrichtung eines gigantischen Medienüberwachungsdienstes, der unter anderem die Haltung von Journalisten, sogenannten Influencern, Autoren, Korrespondenten und Bloggern weltweit registriert. Ich kann mich nicht erinnern, dass da die Bundesregierung schon einmal präventiv aktiv geworden wäre.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.