Die FDP versteht sich ja neuerdings als Partei der #InnovationNation. Das ist also etwas für die ganz intelligenten Leute. Leute wie Christian Lindner zum Beispiel. Der ist so innovativ, dass er in seine Rede eine tolle Passage einbaute, die derzeit in den sozialen Netzwerken unter dem Stichwort „Rassismus“ diskutiert wird. Einen Spontanaustritt hat es deshalb schon gegeben. Lindner soll folgendes gesagt haben:
Weil ich gefragt wurde, was Christian Lindner denn da nun wirklich zur Zuwanderung und dem Bäcker gesagt hat:#bpt18 pic.twitter.com/ZP8BsQZK3X
— Frau Büüsker (@uedio) 12. Mai 2018
War das jetzt rassistisch oder nicht? Darüber mögen bitte andere streiten, die sich auch für Formulierungen wie „Anti-Abschiebe-Industrie“ oder „Abschiebe-Saboteure“ interessieren. Sicher ist jedenfalls, dass es nicht logisch ist, was der innovative FDP-Chef da als Beispiel konstruiert hat. Denn warum sollte sich ein Mensch, an dessen Rechtschaffenheit die anderen unter Umständen Zweifel hegen, an Regeln halten und sich in eine Reihe beim Bäcker stellen? Gehört der Gang zum Bäcker überhaupt noch zum Alltag des Standardeinheimischen oder ist der nicht schon viel häufiger im innovativen Backshop unterwegs, wo er von der Bedienung bis zur Bezahlung inzwischen alles selber macht? Wo bleibt denn da noch die Zeit, um darüber nachzudenken, was rechtschaffen ist oder nicht?
Doch bleiben wir mal beim traditionellen Bäckerbetrieb. Stehen dort wirklich die Sorgen an erster Stelle, ob der Kunde, der gebrochen Deutsch spricht, rechtschaffen ist oder nicht? Die Zahl der Handwerksbäckereien sank laut Auskunft des zentralen Branchenverbandes in den letzten 60 Jahren von rund 55.000 im alten Bundesgebiet auf 11.347 Betriebe mit rund 35.000 Filialen in ganz Deutschland. Kürzlich ist der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung veröffentlicht worden. Darin steht, dass Ausbildungen im Lebensmittelhandwerk deutlich häufiger vorzeitig abgebrochen werden. Ganz konkret nimmt das Bäckerhandwerk bei der Abbruchrate nach wie vor den Spitzenplatz ein, obwohl gleichzeitig über Fachkräftemangel geklagt wird. Gibt es da eigentlich innovative Ideen seitens der FDP?
Denken die Liberalen auch über Löhne und Rentenbezüge nach? Gerade eben hat die Bundesregierung bei der Beantwortung einer Anfrage der Linksfraktion eingeräumt, dass ein deutlich höherer Mindestlohn nötig wäre, damit Betroffene im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen. Die Bundesregierung rechnet vor, dass der Mindestlohn dafür bei 12,63 Euro liegen müsste. Derzeit liegt er bei 8,84 Euro. Der Innovations-Liberale Lindner warnt allerdings vor einer Erhöhung des Mindestlohns, weil so etwas, Sie ahnen es sicher schon, Arbeitsplätze gefährden würde. „Nur durch Qualifikation befreien wir Menschen aus den niedrigen Löhnen“, sagte er kürzlich bei hart aber fair. Wohin das führt, kann man an Lindner sehen. Ein dampfplaudernder Politiker, der jetzt Leadership einfordert, nachdem er vor einem halben Jahr vor die Kameras trat und sagte, es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.