Was für eine selten dämliche Aktion der Russen. Sie schreiben Hajo Seppelt auf eine Liste mit unerwünschten Personen und verweigern ihm vor dem Start der Fußball-WM die Einreise. Prompt setzt sich die Medienmaschinerie in Gang und spricht per Eilmeldung von einem Skandal allerersten Ranges. Politiker und Medienschaffende schalten sich ein. Sie sehen die Pressefreiheit in allergrößter Gefahr und fordern Konsequenzen, die man beim Tweet eines amerikanischen Botschafters vor ein paar Tagen noch schmerzlich vermisst hat. Vielleicht wird ja jetzt der russische Botschafter einbestellt.
Seppelt hier, Seppelt da. Mehr Doping für einen Selbstdarsteller, der sich und seine Arbeit für ganz besonders wichtig hält, geht wohl nicht.
Durch das Einreiseverbot eines einzelnen Journalisten ist die Pressefreiheit keinesfalls bedroht, zumindest nicht in dem Sinne, der hierzulande gemeint ist. So wird behauptet, dass die Russen kritische Stimmen mundtot machen wollten. Das ist angesichts des Medienhypes, der derzeit um Seppelt mal wieder stattfindet, schon eine alberne Schlussfolgerung. ARD und ZDF sind ja trotzdem mit einer Armada an akkreditierten Journalisten vor Ort. Gelegenheiten, den Gastgebern abseits des Rasens mit mehr oder weniger haltlosen Unterstellungen und den Zuschauern mit angeblichen Enthüllungen auf den Wecker zu gehen, gibt es also nach wie vor genug, nein sie sind sogar noch wahrscheinlicher geworden. Danke Russland.
Mehmet Scholl wollte dabei übrigens nicht mitmachen und zog vor rund einem Jahr als ARD-Experte beim Confed-Cup die Konsequenzen. Um das klarzustellen, Scholl hat meiner Meinung nach wenig fußballerischen Sachverstand, aber den müssen „Experten“ bei ARD und ZDF auch selten mitbringen, was für sich genommen schon einen kritischen Beitrag wert wäre. Sich aber zusätzlich noch vor einen antirussischen Karren spannen zu lassen, ging selbst Mehmet Scholl zu weit. Das wiederum zeigt eine klare Haltung, die mehr Respekt verdient, als alle Produktionen eines Hajo Seppelt zusammen, die ausschließlich darauf abzielen, Russland an den Pranger zu stellen.
Hajo Seppelt ist ein notorischer Selbstdarsteller, der auch jetzt wieder prominent durch sämtliche Kanäle und Gazetten läuft, nur weil er kein Visum erhalten hat und auf einer Liste mit unerwünschten Personen steht. Was für ein Aufreger, was für ein Skandal. Einreiseverbote. So etwas kennt der Westen ja nicht. In Wirklichkeit gibt es dieses Spielchen von Sanktion und Gegensanktion seit 2014. Von beiderseitig ausgesprochenen Einreiseverboten sind neben Seppelt schon eine Reihe anderer Personen betroffen. Warum sollte ausgerechnet sein Fall nun zu Konsequenzen führen? Weil es ein massiver Eingriff in die Berichterstattung ist, wie Seppelt selbst meint?
Dabei hat er doch schon alles erreicht. Die Russen stehen mehr oder weniger als einzige Nation am Dopingpranger und werden sogar als Mannschaft von Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen ausgeschlossen. Das war übrigens eine tolle Sache, als Deutschland im Eishockey-Finale gegen eine Mannschaft verlor, die es eigentlich gar nicht gibt. Daran erinnern wir uns doch alle gern. Gedopt war von denen, wie es aussieht, aber niemand, dafür konnte ein russisches Curling-Pärchen mit stichhaltigen Beweisen und viel Medien-Tamtam überführt werden. Wow! Was wollte Seppelt nun in Russland machen. Dazu sagt er selbst wenig:
Eine Berichterstattung über Doping ist sensibel. Wir werden nichts erzählen, bevor wir es nicht gemacht haben. Aber ich kann sagen, dass die ARD sich nicht einschüchtern lassen wird.
Das könnte man auch als Drohung verstehen. Irgendwas wird sicherlich kommen und Seppelt eben aus dem ARD-Studio in Köln oder Kairo prominent zugeschaltet, um zu erklären, was die Kollegen in Russland herausgefunden haben. Zum eigentlichen Thema wird es aber wenig Erhellendes geben.
So könnten Journalisten wie Seppelt doch einmal der Frage nachgehen, warum es Doping im Spitzensport überhaupt gibt und was das mit Großveranstaltungen und Stars zu tun hat, die durch Vermarktung und Rechteverwertung gigantische Umsätze und Gewinne erzielen. Zurecht ist kürzlich darauf hingewiesen worden, dass Russland in der Liste der Dopingsünder gar nicht an erster Stelle steht. Doch im Land der gefühlten Wahrheiten scheint es kein sonderliches Interesse an den Fakten und Zusammenhängen zu geben. Dabei ist Doping doch ein weltweites Problem und kein spezifisch russisches. Das trifft im übrigen auch auf die Vergabe und die Organisation von sportlichen Großveranstaltungen zu. Hier gehören Korruption und die Ausbeutung von Arbeitskräften inzwischen zur Tagesordnung. Aber auch das ist kein spezifisch russisches Phänomen.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.