Hilmar Schneider wird auf Phoenix gefragt, warum ein Exportüberschuss von mehr als 6 Prozent der Wirtschaftsleistung als stabilitätsgefährdend angesehen wird. Und als Antwort bekommt man vom sogenannten „Experten“ ein ausweichendes Gestammel. Es sei schlichtweg Neid, der Deutschland weltweit entgegen schlage und der ihn, den „Experten“, an einen Kindergarten erinnere, in dem jeder etwas vom Kuchen abhaben wolle.
Kurzum: Der Vorwurf, dass Exportüberschüsse etwas Schlechtes seien, sei mehr oder weniger lächerlich. Dabei trifft das auf den Professor zu, der als IZA-Direktor für Arbeitsmarktpolitik einmal vorgeschlagen hatte, Arbeitslose an Unternehmen zu versteigern.
Der neue Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat heute die Frühjahrsprognose der Bundesregierung vorgestellt und dabei sprachlich an jene Haltung angeknüpft, die auch schon seine Vorgänger immer wieder verbreitet hatten. Es sei nur beiläufig daran erinnert, dass sich doch alle vorgenommen hatten, kein Weiter so betreiben zu wollen. Doch auch im Wirtschaftsministerium grüßt wie und je das Murmeltier.
„Die deutsche Konjunktur bleibt weiter schwungvoll, der Aufschwung geht weiter. Unsere Exportwirtschaft behauptet sich erfolgreich in einer Weltwirtschaft, die lebhaft wächst. Die Unternehmen investieren kräftig in neue Maschinen und Anlagen und die Menschen in unserem Land partizipieren am Aufschwung: Die Einkommen werden auch in den kommenden Jahren spürbar zulegen. Die Beschäftigung wird bis zum Jahr 2019 nochmals um eine Million Personen zunehmen, die Arbeitslosigkeit auf ein neues Rekordtief sinken. Das sind wichtige Schritte auf dem Weg hin zur Vollbeschäftigung.“
Alles super also. Eigentlich nicht, da der Saldo der Leistungsbilanz auch im kommenden Jahr bei +7,5 Prozent liegen wird. Deutschland häuft also weiter Exportüberschüsse an, die, wie eingangs schon erwähnt, als stabilitätsgefährdend angesehen werden, nur von den „Experten“ und Politikern aus Deutschland nicht. Sie wollen das nach wie vor nicht als sonderliches Problem erkennen. Im Gegenteil. Peter Altmaier sagte sogar, dass der Handelsüberschuss auf gar keinen Fall ein übermäßiges Ungleichgewicht darstelle. Die deutsche Wirtschaft sei vielmehr exzellent wettbewerbsfähig. Allerdings begünstige auch der Euro die Exporte.
Offensichtlich bemerkt der Minister den Widerspruch oder die Gefahr einfach nicht. Was ist denn, wenn der Euro im Vergleich zum Dollar weiter an Wert gewinnt, wie das zuletzt der Fall gewesen ist? Was ist, wenn die Amerikaner weiter ernst machen und ihrerseits protektionistische Maßnahmen wie Einfuhrzölle ergreifen oder den Dollar bewusst schwächen, um die Leistungsbilanz, die in den USA ein Defizit ausweist, zu korrigieren? Das führt doch, weil ohne Zweifel logisch, unweigerlich zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exportunternehmen. Haben die deutschen Arbeitnehmer in diesem Fall dann jahrelang umsonst den Gürtel enger geschnallt?
Am längeren Hebel
Die Diskussion um Zölle ist ja eine direkte Folge der Ignoranz Deutschlands, seine Leistungsbilanzüberschüsse überhaupt als ein Problem zu begreifen. Und obwohl die Bundeskanzlerin in dieser Woche noch nach Washington reist, um zuallererst über Handel und Zollfreiheit mit Präsident Trump zu sprechen, malt die Bundesregierung die wirtschaftliche Lage weiterhin rosig. Doch wer die Kuschelshow mit dem französischen Präsidenten Macron inklusive des Pflanzens einer Eiche im Garten des Weißen Hauses gesehen hat, muss doch unweigerlich erkennen, dass Merkel ein ganz anderer, vermutlich ziemlich frostiger Empfang droht.
Trump wird wie der Rest der Welt darauf bestehen, dass Deutschland endlich seine Leistungsbilanzüberschüsse abbaut. Und wenn nicht, sitzt er am längeren Hebel. Denn so wie es aussieht, fahren die Amerikaner zweigleisig. Sie reden über Zölle, um die öffentliche Empörung zu schüren. Gleichzeitig schwächen sie den Dollar, was sehr viel wirkungsvoller gegen notorische Importdefizitländer wie Deutschland ist. Die deutschen Arbeitnehmer dürfen sich warm anziehen. Der Druck auf die Löhne wird wieder zunehmen. Das Gerede über eine angebliche Ära steigender Löhne dient genau diesem Zweck. Jeder soll das Märchen vom Hochlohnland erneut verinnerlichen, um das nächste Knopfloch im Hosengürtel später besser ertragen zu können.
Man kann es drehen und wenden, wie man will. Sollte Deutschland stur bleiben und seine Exportüberschüsse weiterhin als Ausdruck einer besonderen Qualität begreifen sowie die Kritik daran als Neiddebatte abtun, wie der eingangs zitierte „Experte“ des IZA das tut, wird es zu einer Katastrophe kommen. Der Abschwung in der Eurozone deutet sich bereits an, gerade weil der Wirtschaftsminister betont, dass es überall in Europa so viel Wachstum gebe wie noch nie. Die einseitige Exportabhängigkeit, an der die Bundesregierung augenscheinlich nichts ändern will, ist extrem anfällig für neuerliche Krisen, die im aktuellen weltwirtschaftlichen Umfeld immer wahrscheinlicher werden, im übrigen ganz ohne Beschränkungen des Handels durch Zölle. So haben die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland zu Beginn des Jahres einen herben Dämpfer erlitten.
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.