Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat eine ganz tolle Idee, um Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. Er schlägt einen „Sozialen Arbeitsmarkt“ vor, was von der Begrifflichkeit her sicher kein schlechter Gedanke ist, ja wenn sich nicht die altbekannte neoliberale Denkweise dahinter verstecken würde.
Der Plan des SPD-Ministers sieht vor, etwa 150.000 Langzeitarbeitslose per Lohnkostenzuschüsse in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Kaum einer hinterfragt diesen Ansatz, der schon seit Ewigkeiten als Kombilohn bekannt ist und auch als Teil der Debatte um das Grundeinkommen unter dem Stichwort „Solidarisches Bürgergeld“ Karriere machte. Letzteres entsprang dem Ökonomen Thomas Straubhaar und dem CDU-Politiker Dieter Althaus.
In der aktuellen Debatte um den Arbeitsmarkt, wie bei Anne Will am Sonntag zu sehen, werden dann auch alle falschen Behauptungen von vorgestern wiederbelebt, so als ob es nicht gerade ein kollektives Bekenntnis zur Selbsterneuerung gegeben hätte. Der größte Unfug bleibt die Geschichte über die Grenzproduktivität, die allen Kombilohnmodellen zugrunde liegt. Demnach kämen Verträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nur deshalb nicht zustande, weil die einen zu hohe Löhne fordern würden, die die anderen außer Stande sind zu bezahlen.
Hinzu komme eine aus Arbeitgebersicht viel zu hohe staatliche Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit, die angeblich mehr Anreize böte, gar nicht erst zu arbeiten. Auch dieser Arbeitsminister glaubt offenbar an diese unhaltbare Position und will daher erstens an Hartz IV und seinem Sanktionsregime festhalten und zweitens mit Lohnkostenzuschüssen aus Steuermitteln („produktiver Lohnkostenzuschuss“) dafür sorgen, dass Arbeitgeber ihre viel zu niedrigen Lohnvorstellungen nicht weiter überdenken müssen.
Nur was sollte daran sinnvoll sein, die Allgemeinheit für den Teil des Lohns aufkommen zu lassen, den doch der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schuldet? Und wie soll ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt aussehen, der ja den strikten Vorgaben schwarzer Haushaltsnullen nicht widersprechen darf, wie allein schon die erneute Blockadehaltung der Arbeitgeber bei den aktuellen Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst zeigt? Eine öffentliche Beschäftigungsinitiative, die zu mehr regulärer und tariflich bezahlter Arbeit führen würde, das wäre ein Aufbruch, der auch seinen Namen verdient.
Verdrehungen
Doch wer beim Geist der Agenda-Politik stehen bleibt, hat auch keine Erneuerung im Sinn und will schon gar nicht eine Debatte nach vorne führen. Er tut nur so, als wäre das, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, eine Art neue Politik. Sie unterscheidet sich aber nicht von dem, was vorher war. Wie sollte sie auch, wenn die neue Regierung doch die alte ist. Um von dieser simplen Wahrheit abzulenken, wird viel sprachliche Verwirrung gestiftet. Nicht politisches Handeln habe die Gesellschaft gespalten, sondern die Diskussion, ist so eine infame Verdrehung der Wirklichkeit.
Minister Heil will endlich handeln. Die Mittel sind aber dieselben geblieben. Wie die anderen marktkonformen Regierungen, setzt auch diese auf eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, um dann anzukündigen, mehr Geld für die Förderung ausgeben zu wollen. Die Arbeitslosenversicherung hält Heil aber nicht mehr für zeitgemäß. Er will lieber eine Arbeitsversicherung einführen, die jene Risiken kompensieren soll, die die Agenda-Politik mit der mutwilligen Zerstörung gesetzlicher Vorsorgesysteme selbst geschaffen hat.
Doch was ist denn mit der bisherigen Förderung los? Wieso werden die zur Verfügung stehenden Mittel zur Eingliederung seit Jahren schon nicht ausgeschöpft? Warum wurden die Fördersummen ab dem Jahr 2011 massiv um mehrere Milliarden Euro pro Jahr nach unten gedrückt? Und wieso werden nur noch kurze und zum Teil sehr fragwürdige Qualifizierungsmaßnahmen unter Androhung von Leistungsentzug verordnet, statt den Betroffenen sinnvollere und länger dauernde Umschulungen anzubieten?
Vielleicht würden dann auch mehr Menschen auf die Stellen passen, für die Unternehmen angeblich händeringend nach qualifiziertem Fachpersonal suchen. Bei einem Kombilohn werden die Arbeitgeber hingegen diejenigen beschäftigen, für die es natürlich auch die staatliche Subvention gibt. Andere reguläre Beschäftigungsverhältnisse geraten dagegen wieder unter Druck. Der Arbeitsminister sollte mal bei den Satirikern vom Postillon nachlesen, die auf den richtigen Dreh gekommen sind:
Schuld an der Misere dürfte einmal mehr der sogenannte „Fachkräftemangel“ sein. Dieser wurde erst kürzlich mit folgender Definition in den Duden aufgenommen: „Zustand, bei dem sich Arbeitgeber darüber beklagen, ohne faire Arbeitsbedingungen kein Personal mehr zu finden.“
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.