Wenn ein Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass ein Tatvorwurf „von vornherein unzulässig“ ist, dann ist das eine schallende Ohrfeige für die Anklägerin. Die klare Rechtsauffassung fällt auf die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein zurück, die nach angeblich „intensiver Prüfung“ zu dem Ergebnis gelangte, dass der Vorwurf der „Rebellion“ auch nach deutschem Strafrecht zulässig sei.
Eine absurde Annahme, die sich eine Justizbehörde und die sie überwachenden Fach- und Dienstaufsichten in den zuständigen Ministerien eigentlich nicht leisten dürften.
„Das dem Verfolgten zur Last gelegte Verhalten wäre in der Bundesrepublik Deutschland nach hier geltendem Recht nicht strafbar“, schreiben die Richter am Oberlandesgericht. Das klingt so, als kann es dazu keine zwei Meinungen geben. Da drängt sich doch zwangsläufig die Frage auf, wie denn die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein nur dazu kommen konnte, das Gegenteil anzunehmen. Kennen diese Juristen etwa das deutsche Strafrecht nicht? Und wie sieht es mit den zuständigen obersten Dienstherren aus, wie sie in § 147 Gerichtsverfassungsgesetz genannt werden?
Von der Landesjustizministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack hörte man kein Wort zu dem Verfahren. Damit kann man auch nichts gegen sie verwenden, wenn man einmal von dem offenbar üblichen laschen Aufsichtsverständnis absieht. Die Bundesministerin für Justiz, Katarina Barley, wollte sich im Prinzip ja auch heraus halten, schwieg aber nicht, sondern machte mit einer Äußerung deutlich, von politischer Seite nicht in dieses rechtliche Verfahren eingreifen zu wollen. Das sollte wohl besonders umsichtig und kompetent klingen, machte die Sache aber nur noch schlimmer.
Erstens ist der „Eingriff“ das obligatorische Mittel desjenigen, dem per Gesetz die Leitungsfunktion und damit die Verantwortung zugeschrieben wird. Da kann man sich doch innerhalb der Exekutive nicht einfach hinter dem eigenen Behördengeflecht verstecken und den Leuten draußen weismachen, der Staatsanwalt agiere gänzlich unabhängig. Wenn der sich dann mit offenkundig abenteuerlichen Rechtskonstruktionen bei der tatsächlich anderen Gewalt blamiert, fällt das trotzdem immer auch auf den sich wegduckenden Dienstherren oder Frau zurück.
Zweitens steht der Bundesregierung nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen ein politischer Spielraum jenseits der juristischen Entscheidung zu. Nun kann man einwenden, das beträfe ja nur Rechtshilfeersuchen aus Nicht-EU-Staaten. Stimmt. Doch gibt es bei Ersuchen aus EU-Staaten eine Bund-Länder-Vereinbarung, aus der hervorgeht, dass sich das jeweils zuständige Bundesland in Fällen besonderer Bedeutung, was Puigdemont zweifellos ist, mit der Bundesregierung „ins Benehmen“ zu setzen hat.
„Die Landesregierungen setzen sich in Fällen, denen besondere Bedeutung in politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung zukommt, mit der Bundesregierung rechtzeitig ins Benehmen. Sie werden Bedenken der Bundesregierung Rechnung tragen.“
Die Bundesregierung hatte aber offenbar keinerlei Bedenken, womit wir wieder bei Erstens wären und dem Wegducken, das kaum hilft, wenn man doch die Verantwortung trägt. Im Fall Puigdemont sind eben nicht die deutschen Gerichte zuständig, wie eine offenbar arbeitsunwillige Regierung ständig behauptet. Es ist wie Prantl schreibt: „Mittels Strafrecht lassen sich die spanischen Probleme nicht lösen.“
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.