Da saß also der kommissarisch amtierende SPD-Parteichef und mögliche Finanzminister Olaf Scholz am Sonntag bei Anne Will herum und erzählte etwas von Truckern, die von der Politik wissen wollten, ob ihre Zukunft noch gesichert sei, wenn im Zuge der Digitalisierung in 20 Jahren das autonome Fahren Einzug halte. Der Rest der neoliberalen Einheitsrunde mochte bei derlei Unsinn nicht protestieren. Warum auch. Offenbar sind diese Leute selten auf der A2 in Niedersachsen unterwegs.
Wären sie es, wüssten sie genau, dass es die romantische Vorstellung von einem Trucker, der irgendwie die Freiheit auf Deutschlands Straßen genießt, schon längst nicht mehr gibt. Wie an einer Perlenschnur aufgereiht fahren die Lkws auf den Autobahnen wie der A2 täglich quer durchs Land. Am Steuer sitzen oftmals unterbezahlte und meist übermüdete und unter Zeitdruck stehende junge wie auch ältere Menschen, die jeden Tag mit ihrem Tod rechnen müssen.
Ihnen dürfte die Digitalisierung, die Scholz als Sorgenthema Nummer eins identifiziert hat, reichlich egal sein und das autonome oder automatisierte Fahren in ferner Zukunft sowieso. Die heutigen Fahrer haben vermutlich mehr Angst davor, dass sie aufgrund des beinhart geführten Konkurrenzkampfes unter die Räder kommen. Sie hoffen wohl eher, auch morgen noch am Leben zu sein, um nach vielen Tagen Strapaze auf Achse, die Familie endlich wiederzusehen.
Das Statistische Bundesamt meldete heute amtliche Zahlen. In einigen Berichten war von Erleichterung die Rede, weil es im Jahr 2017 0,9 Prozent weniger Verkehrstote gab. Mit 3177 Menschen, die bei Unfällen starben, erreichte die Zahl der Verkehrstoten den niedrigsten Stand seit Beginn der Statistik vor mehr als 60 Jahren, heißt es in der Pressemitteilung. Ein positiver Rekord also. Doch wer genauer hinschaut, stellt auch fest, dass die Zahl der Unfalltoten im Teilbereich Güterkraftfahrzeug mit +24,2 Prozent deutlich zugenommen hat.
Leute wie Scholz wollen mit ihrem Gequatsche zum neuen Großthema Digitalisierung einer Diskussion über die tatsächlichen Zustände in diesem Land und auf den Straßen ausweichen. Dort gilt das Prinzip der Gewinnmaximierung und zwar auf Kosten der Sicherheit. Darauf weist übrigens auch die Sendung Frontal 21 heute Abend in einem Beitrag hin. Da sollte Trucker Scholz mal reinschauen, um etwas über die Wirklichkeit zu erfahren und vielleicht auch darüber, warum die SPD bei erbärmlichen 16 Prozent in den Umfragen steht.
In Ergänzung zu dem Geschriebenen zwei Hinweise:
- Aktuell von heute: Tödlicher Lkw-Unfall: A352 weiter gesperrt
- Und seit Jahresbeginn: Schon fünf Tote auf der A2 seit Jahresbeginn
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.