Es ist schon erstaunlich, wie locker über ein angebliches Versprechen von Martin Schulz an Sigmar Gabriel hinweg gegangen wird. Bitte mal sortieren. Es wird behauptet und das bestätigt Gabriel ja durch sein Interview in den Funke Medien indirekt selbst, dass Schulz ihm für den Fall einer Fortsetzung der Großen Koalition versprochen habe, den Posten des Außenministers behalten zu dürfen. Nur wann dieses Versprechen abgegeben worden sein soll, haben die Kollegen offenbar nicht herausgefunden.
Doch der Zeitpunkt wäre für die Beweisführung schon interessant. Sollte dieses Versprechen nämlich in dem Moment abgegeben worden sein, als Schulz Spitzenkandidat und später Parteichef wurde, wäre neben der Aussage von Thomas Oppermann unmittelbar nach der Wahl im Handelsblatt über eine theoretische GroKo auch durch Gabriel bestätigt, dass es im Wahlkampf nie um etwas anderes ging, als um die Fortsetzung der Großen Koalition und zwar als Juniorpartner. Das ist doch der eigentliche Skandal. Und daran sind ja wohl sehr viel mehr Genossen beteiligt wie natürlich auch die Spitzenfunktionäre auf Seiten der Union.
Nur scheinen diese Absprachen im Hintergrund heute niemanden sonderlich zu interessieren, sie gelten mehr oder weniger als ein offenes Geheimnis und als nicht weiter beachtenswert. Nur ist über diese eigentlich bekannten Vorgänge im letzten Jahr nie berichtet worden. Im Gegenteil. Die Medien wie auch die SPD-Mitglieder übernahmen am 24. September einfach die Behauptungen von Schulz und der Parteiführung, die ja immer noch im Amt ist, wonach die GroKo Schuld an der Wahlniederlage und Jamaika das erklärte Ziel von Angela Merkel gewesen sei.
Nun beklagen sich genau diese Leute aus den eigenen Reihen über den schrecklich schlechten Hauptdarsteller dieses Schmierentheaters. Sein Verhalten schade der Glaubwürdigkeit der Partei, so ist zu hören. Man hätte den Wählern den Zickzackkurs des scheidenden Vorsitzenden nicht mehr länger vermitteln können. Das heißt, andere Dinge wie den Koalitionsvertrag dagegen schon. Diesem Papier dichtet die Parteiführung nach wie vor eine sozialdemokratische Handschrift an. Doch da ist keine. Versprochen.
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.