Der Titel der heutigen Ausgabe der Bild-Zeitung sendet eine klare Botschaft an die SPD-Mitglieder aus. Seht her, Euch gehört die Regierung, stimmt dem Koalitionsvertrag gefälligst zu, weil da „Milliarden für Bildung, Rente und Soziales“ vereinbart worden seien, wie im Kleingedruckten zu lesen ist.
Entscheidend sind aber die großen Buchstaben, die suggerieren sollen, dass die SPD in der neuen Regierung künftig das Sagen hat. Das deckt sich wiederum voll und ganz mit der Strategie der SPD-Parteiführung, die gestern den vorläufigen Höhepunkt, oder sollte man Tiefpunkt sagen, eines seit Monaten andauernden Schmierentheaters aufführte.
Klickt man weiter durch die Titelseiten des Morgens, fällt der Grundtenor auf, dass die SPD eine Gewinnerin der Koalitionsverhandlungen sei, weil es ihr gelang Schlüsselressorts zu besetzen. So titelt die Süddeutsche: „Zwei Gewinner und Merkel“, Die Welt schreibt unter der Überschrift „Merkels letztes Aufgebot“, dass sich die Kanzlerin ihre vierte Amtszeit teuer erkauft habe, was wohl den SPD-Verhandlern zu verdanken sei. In der FAZ leisten Politiker der Union Schützenhilfe für die SPD-Führung und beklagen den Verlust des Finanzministeriums. Dabei dürften sie vermutlich dankbar sein, wenn ein neoliberaler Agenda-Verfechter wie Olaf Scholz den Posten übernimmt und das fortsetzt, was Schäuble schon nicht konnte.
Selbst das scheinbar kritisch daherkommende Handelsblatt, das von einer „Allianz des Stillstands“ spricht, erzählt seinen Lesern etwas von einer Großen Koalition der Umverteiler und beklagt das Ausbleiben von Steuersenkungen. All diese Botschaften der Meinungsmacher verfolgen das Ziel, es der SPD-Führung zu erleichtern, das Ergebnis der Verhandlungen an der eigenen Basis zu verkaufen. Die mediale Schützenhilfe ist auch nötig, da die Zustimmung der Genossen keinesfalls sicher ist, wie das überraschend knappe Ergebnis zum Leitantrag der Parteispitze auf dem letzten Parteitag in Bonn zeigte.
Ende der kommenden Woche werden wohl die Briefe an die stimmberechtigten SPD-Mitglieder versandt. Parallel dazu gehen die Spitzengenossen wie 2013 auf Werbetour durchs ganze Land. Auf Regionalkonferenzen wird sicherlich weniger über die Posten und dafür mehr über die sinkenden Umfragewerte geredet, die bei Neuwahlen rasch zur Realität werden könnten, wenn keine GroKo zustande käme. Auf der anderen Seite überlässt man es den Medien zwischen erst- und zweitklassigen Regierungsämtern zu unterscheiden. Es bleibt abzuwarten, wie die verängstigte SPD-Basis reagieren wird.
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.