Bis Ostern werden die Eier faul

Geschrieben von: am 22. Jan 2018 um 10:49

Bis Ostern soll die Regierungsbildung nun noch dauern. Dabei ist das Wesentliche bereits im Sondierungspapier vereinbart worden. Man müsste nur noch Koalitionsvertrag darüber schreiben. Doch die SPD-Spitze tut lieber so, als sei noch gar nichts vereinbart, will sich Zeit lassen, auch um den Eindruck zu vermeiden, hinter den Kulissen mit der Union die Weichen schon längst gestellt zu haben.

Martin Schulz sagte nach dem Sonderparteitag der SPD in Bonn, die Sondierungen seien noch keine Koalitionsergebnisse. Man habe lediglich herausfinden wollen, ob sich Verhandlungen über eine Regierungsbildung mit der Union überhaupt lohnen. Diese absurden Aussagen, nachdem Nahles schon behauptet hatte, 80 Prozent des SPD-Programms seien umgesetzt, mag nun jeder bewerten wie er will. Aber so zu tun, als seien 28 Seiten bedrucktes Papier, in dem um jede Formulierung bis zuletzt gerungen wurde, keine Vereinbarung, bleibt wohl tatsächlich eine Art Täuschungsversuch.

Die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin könnte umgehend anberaumt werden, da ja bereits mehr als nur ein paar Eckpunkte für eine neue Regierung beschlossen wurden. Zumindest könnte die SPD-Spitze so ehrlich sein und den Mitgliedern den Koalitionsvertrag, der nichts anderes als das Sondierungspapier sein wird, gleich zur Abstimmung vorlegen, statt wieder ein paar Wochen quietschend mit der CSU über die Zeichensetzung zu streiten.

GroKo-Gegner ohne Gegenentwurf

Eine Zustimmung der Basis wird es so oder so geben, weil auch diejenigen in der SPD, die eine GroKo³ strikt ablehnen, keinen Gegenentwurf ohne Angela Merkel als Regierungschefin zu entwickeln und zu vertreten im Stande sind. Der neue Medienstar der Jusos, Kevin Kühnert, betont immer wieder, auch auf dem Parteitag, dass es ihm nicht um eine Personaldebatte gehe. Er und die Jugendorganisation der SPD haben damit also gar kein Interesse an einer Alternative zum System Merkel, wenn sie hinter dem Personal stehen, das genau dieses System immer wieder stützt.

Die Jusos haben ja nicht einmal ein Interesse an erfolgreicher Sozialdemokratie, wie sie nur noch von Jeremy Corbyn in Großbritannien praktiziert wird. Ihn bezeichneten Teile der Jusos sogar bar jeder Kenntnis als Antisemiten, statt als Beispiel für einen glaubwürdigen Politikwechsel auch für Europa, in dem die rechten Bewegungen immer stärker auf dem Vormarsch sind. Europa könnte ja tatsächlich ein gutes Thema sein, wenn man nicht den Eindruck hätte, es diene dem Parteichef Martin Schulz nur dazu, vom angerichteten Scherbenhaufen zu Hause abzulenken.

Wer also den Neuanfang will, kann doch nicht ernsthaft an Leuten wie Nahles und Schulz festhalten, die in skandalöser Art und Weise behaupten, das Sondierungsergebnis mit der Union sei weitgehend identisch mit dem, was die SPD bei möglichen Neuwahlen wieder in ihr Programm schreiben würde. Wer solche Sätze kaum beachtet durchgehen lässt, kann sich auch die Forderung nach einem Aufbruch oder einer Erneuerung sparen. Statt der Kampagne „Tritt ein stimm mit nein“ müsste die Parole lauten: „Tretet endlich zurück, sonst nie wieder Glück“

5

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge

Kommentare

  1. Jörg Wiedmann  Januar 22, 2018

    Der entscheidende Satz im „Sondierungspapier“: „„Die Tagesordnung der Kabinettsitzungen soll den Fraktionen vorab mitgeteilt werden. Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ Wer -aus unerfindlichen Gründen- der Meinung war wir würden in einer -wenn auch „marktkonformen“- Demokratie leben hat es jetzt schwarz auf weiß das dem nicht so ist. Das ist Parteiendiktatur und grundgestzwidrig. Aber das hat Merkel und Konsorten noch nie gestört. EFSF, ESM, No Bail out, Energiewende, Brennelementesteuer usw. Kann man da eigentlich nicht juristisch dagegen vorgehen?
    Übrigens ich oute mich auch gerne als Corbyn Fan. Seine Rede beim Labour Parteitag -Gänsehaut. Und dann der SPD Parteitag mit Schulz und Nahles. Womit haben wir das nur verdient?

    • André Tautenhahn  Januar 22, 2018

      Der entscheidende Satz im „Sondierungspapier“: „„Die Tagesordnung der Kabinettsitzungen soll den Fraktionen vorab mitgeteilt werden. Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ Wer -aus unerfindlichen Gründen- der Meinung war wir würden in einer -wenn auch „marktkonformen“- Demokratie leben hat es jetzt schwarz auf weiß das dem nicht so ist. Das ist Parteiendiktatur und grundgestzwidrig.

      Na ja, die Formulierung findet sich eigentlich in allen Koalitionsverträgen. Sie widerspricht auch nicht dem Grundgesetz, da der Abgeordnete sich grundsätzlich an keine Koalitionsvereinbarungen halten muss. Ein Koalitionsvertrag ist im Prinzip rechtlich unwirksam. Das hat man ja auch in der letzten Legislaturperiode gesehen, als die Union einige mühsam ausgehandelte Vereinbarungen einfach ignorierte (Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit). Konsequenzen hat der Vertragsbruch rechtlich keine, manchmal auch politisch nicht, wie die SPD unter Beweis stellte, die lieber am Rockzipfel von Merkel hängen blieb, als bspw. die Koalition mit der Union formal aufzukündigen und andere Mehrheiten zu nutzen. Man kann natürlich auch Abgeordnete aus Fraktionen ausschließen, wenn die sich nicht an die Stallorder halten. Sie bleiben aber trotzdem Abgeordnete und könnten sich, wenn eine ausreichende Zahl vorhanden ist, auch wieder zu Gruppen und Fraktionen mit anderer Stallorder zusammenschließen. Ist aber alles nur theoretisch… ;-)

      • Jörg Wiedmann  Januar 22, 2018

        Herr Tautenhahn, danke für Ihre Antwort. Ich bin eben kein Jurist.:-) Als Demokrat bin ich trotzdem entsetzt.
        Die Info stammt von. https://www.konjunktion.info/2018/01/groko-demokratie-war-gestern-parlament-wird-laut-sondierungspapier-entmachtet/
        Zitat: „Es ist bekannt, dass diese Arbeitsweise seit Jahren geübte Praxis ist. Das Parlament ist weitgehend ausgeschaltet. Es wird diesmal jedoch zum ersten Mal in einem öffentlichen Dokument der Sondierungspartner schriftlich zum Ausdruck gebracht. In KEINEM der bisherigen Koalitionspapieren waren so klare Aussagen über die Ausschaltung der Bundestagsabgeordneten zu finden.“
        Zudem handelt es sich ja noch nicht einmal um einen Koalitionsvertrag sondern lediglich um das Ergebnis der Sondierungen.
        Das die Union einiges -für die SPD essentielles- das im letzten Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde blockiert hat, ist mir bekannt. Deshalb ist es letztendlich auch völlig wurst ob die SPD Mitglieder einem Koalitionsvertrag zustimmen der dann wieder nicht eingehalten wird. Ich bin mir ziemlich sicher das sich die SPD Mitglieder auch dieses mal wieder „verarschen“ lassen.

        • André Tautenhahn  Januar 22, 2018

          In KEINEM der bisherigen Koalitionspapieren waren so klare Aussagen über die Ausschaltung der Bundestagsabgeordneten zu finden.

          Wie gesagt, im Koalitionsvertrag von 2013 gibt es bspw. das 8.Kapitel „Arbeitsweise der Koalition“. Dort steht das so ähnlich bereits drin. Zitat: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“

          Zudem handelt es sich ja noch nicht einmal um einen Koalitionsvertrag sondern lediglich um das Ergebnis der Sondierungen.

          Das würde ich so auch nicht sehen. Es ist im Prinzip schon ein Koalitionsvertrag, da sehr viele inhaltliche Details festgeschrieben wurden. Sondierungen liefen früher auch ganz anders ab. Das Herumgeeiere ist eine Folge der krachenden Wahlniederlage und der Tatsache, dass dafür niemand Verantwortung übernehmen will. Jetzt muss sich bspw. die SPD wieder eine Woche lang intern beraten, wie sie die Koalitionsgespräche gestaltet. Lächerlich.

          Ich bin mir ziemlich sicher das sich die SPD Mitglieder auch dieses mal wieder „verarschen“ lassen.

          Der Meinung bin ich auch, wobei ich glaube, dass die Mitglieder das auch sehr genau wissen. Sie klammern sich aber lieber an das Prinzip „Augen zu und durch“, weil sie sich eben nicht trauen, die Machtfrage zu stellen. ;-)

          • j.wiedmann  Januar 22, 2018

            Hallo Herr Tautenhahn, vielen Dank für die Erläuterungen.
            Meine Quelle war wohl nicht ganz korrekt, hat den Koalitionsvertrag 2013 nicht gelesen bzw wollte von der „Arbeitsweise der Koalition“ nichts genaues wissen. :-)
            Ich teile Ihre Meinung das, das Sondierungspapier weit über eine reine Sondierung hinausgeht vollumfänglich.
            Deshalb wird es auch nicht leicht sein Änderungen durchzusetzen.
            Das ganze ist ein unbeschreibliches Drama denn eine wirklich sozialdemokratische Partei könnten wir im Lande mehr als gut brauchen. Schönen Abend.