Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut INSA für die Bild-Zeitung von Anfang der Woche sieht die SPD im Augenblick nur noch bei 18,5 Prozent. Dieses Ergebnis könnte sicherlich zutreffen, doch scheint es wohl eher so zu sein, dass man die SPD kurz vor dem Parteitag am Wochenende in Bonn absichtlich sehr tief abschneiden lässt, damit die Angst der Delegierten vor Neuwahlen noch ein wenig gesteigert werden kann.
Und die Seeheimer geben dieser Einschätzung heute Recht, wenn sie prognostizieren, dass die SPD bei 15 Prozent landen würde, ginge sie nicht in die GroKo³.
Wer eine Zustimmung zu einem ungeliebten Antrag wie der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union erreichen will, muss aufzeigen, wie schlecht die Alternativen doch sind. Neuwahlen sind schlecht, gar keine Frage, doch gehört es natürlich auch zum strategischen Handwerkszeug der GroKo-Befürworter in der SPD, den eigenen Mitgliedern und Delegierten im Vorfeld einer Abstimmung zu drohen, falls die sich nicht mehrheitlich hinter die Führungsclique stellen.
Umfragen mit offensichtlich eingebauten Ausreißern in den Ergebnissen können dabei helfen, aber auch eine öffentliche Kampagne mit Hilfe der Medien, die das durchaus berechtigte Bild einer noch schlimmeren Katastrophe zu vermitteln sucht. Das Manöver der GroKo-Befürworter ist nicht neu und hat den Vorteil, dass über ihr Versagen während des Wahlkampfes, bei Entscheidungen nach dem 24. September und in den Sondierungsverhandlungen nicht weiter geredet wird.
Die GroKo-Befürworter können sich auch darauf berufen, gerade erst von den Delegierten auf einem Parteitag wiedergewählt worden zu sein. Vor diesem Hintergrund wirkt das Auftreten von prominenten GroKo-Kritikern in der SPD, wie Marco Bülow und Kevin Kühnert, reichlich naiv. Sie fordern zwar ein Nein zur GroKo, vermeiden aber die notwendige Diskussion über das schlingernde Spitzenpersonal, das nun schon über Jahre hinweg tun und lassen kann, was es will.
Man könne nicht ein drittes Mal sehenden Auges in den Abgrund steuern, sagt Bülow. Das ist sicherlich richtig, beantwortet aber nicht die Frage, warum die Basis dann immer wieder dieselben Leute mit Spitzenämtern betraut. Wenn man sich verraten und verkauft fühlt oder dem Parteivorsitzenden zurecht Verblendung vorwirft, muss man doch auch die Trennung von diesen offenkundig unfähigen Personen und die personelle Erneuerung zur vordringlichsten Aufgabe machen.
Doch nichts davon. Vielleicht weil die „Zwerge“ in der SPD selbst nicht über ein besser qualifiziertes Personal verfügen, das man stattdessen ins Rennen schicken könnte. Und so machen sie sich weiterhin lächerlich bei dem Versuch, eine Basisbewegung gegen die GroKo und nicht gegen die eigene unfähige Parteiführung in Gang zu setzen. Davon werden sich die Funktionäre aber nicht beeindrucken lassen. Für sie ist die Sache bereits entschieden. Bätschie, könnte man da sagen. Das wird richtig teuer.
Denn um damit durchzukommen, hat die Führungsebene entsprechend Vorsorge betrieben und sich gleich mehrfach abgesichert. Sollte es tatsächlich knapp werden in Bonn könnten sie den Delegierten vorwerfen, mit einem Nein die Mitglieder übergehen zu wollen, die ja ohnehin als letztes befragt werden sollen. Die Aussicht auf Nachverhandlungen und eine sogenannte Mid-Term-Evaluierung, die Martin Schulz gerade vorgeschlagen hat, soll die Delegierten mehr oder weniger ruhig stellen. Nimmt man alles zusammen, dürfte es sehr wahrscheinlich sein, dass eine breite Mehrheit für die GroKo³ am Wochenende stimmen wird.
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.