Offenbar ist immer noch Silvester. Es gilt das Motto, wessen Batterie knallt am Längsten und wer sorgt damit für den dicksten, stinkenden Nebel in der Nachbarschaft. Was diese Woche schon wieder an trüber Suppe durch die Lande und über Twitter wabert, konnte noch nicht einmal das Orkantief Burglind am Mittwoch hinweg pusten. Die politischen Abgaswerte sind einfach nicht kleinzukriegen. Vermutlich auch deshalb nicht, weil die Sozialen Netzwerke und die anderen Medien ihre durch Schnellfeuer heißgeschossenen Rohre nicht abkühlen lassen.
Offenbar leidet die halbe Republik an einem kollektiven Aufmerksamkeitsdefizit. Allen voran die rechten Spinner von AfD und CSU. Sie wissen genau, welche Knöpfe es zu drücken gilt, damit der Schlagzeilomat Überstunden macht und das Empörungslevel überkocht. Überraschenderweise blieb es an Silvester ruhig. Kein grapschender Muselmob, sondern die üblichen Toten und Verletzten nach unsachgemäßen Gebrauch von Sprengstoff sowie ein Rentner, der mit einer Neun-Millimeter-Pistole ein 12-jähriges Mädchen anschoss.
Die Waffe stammte offenbar aus Osteuropa, wie die Polizei mitteilte, hatte also einen Migrationshintergrund und gelangte demnach per illegaler Einreise über die bundesdeutsche Grenze. Doch eine Diskussion über Waffen, Kontrollen solcher und durchgeknallte Rentner sucht man vergebens, stattdessen sollen die Knochen von minderjährigen Flüchtlingen per Röntgenstrahlen vermessen werden, obwohl jeder Arzt eindeutig sagt, dass das totaler Unfug ist, weil man das Alter mit dieser Methode nun einmal nicht bestimmen kann.
Aber wen interessiert das schon. Es wird einfach weiter aus allen Rohren geballert, weil es so schön laut ist. Schließlich würden Debatten von einer linken Minderheit dominiert, meint der geistige Tiefenknaller Alexander Dobrindt in Springers Welt. Dabei ist es gerade andersherum. Seit Jahren hört man nur die bayerischen CSU-Zwerge, wie sie mit ihren Megafonen AfD-Parolen nachplappern. Und übrigens stellt der konservative Haufen, der nicht weniger als eine konservative Revolution fordert, seit 12 Jahren die Kanzlerin. Selten hat jemand soweit daneben gefeuert.
Und am Samstag kommt erst noch die FDP, die vermutlich dem ganzen Treiben drei Kronen aufsetzen wird. Dass sie wieder mitknallen wollen, haben die Spaßliberalen ja schon angekündigt. Zum Glück ist der politische Aschermittwoch nicht mehr weit. Er fällt in diesem Jahr auf den 17. Februar. Die Hoffnung ist also berechtigt, dass es mit dem jungen 2018 noch besser wird. Früher nannte man das, was wir in dieser Woche bisher erleben durften, ja noch Sommerloch. Doch heutzutage haben die Trolle offenbar das ganze Jahr über zu tun und den Ort offen, wo die Sonne nicht scheint.
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.