Die SPD kann einem wirklich leidtun. Oder auch nicht. Dass die Partei so schlecht dasteht, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Das Gejammer der Basis nervt. Natürlich wird der Gang in die nächste Große Koalition noch mehr Stimmen kosten. Aber eine Alternative gibt es ja nun nicht mehr.
Bis zum 24. September 2017 gab es viele Möglichkeiten, eine bessere Politik zu machen, als ständig dem falsch verstandenen Pflichtbewusstsein in der Großen Koalition hinterherzulaufen. Die linke Mehrheit war da. Die SPD hätte mit ihr drohen, selbst den Bundeskanzler stellen oder aber die Regierung verlassen können, um in der Opposition wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, die am Ende zu mehr gereicht hätte als zu 20,5 Prozent. Doch auch drei verlorene Landtagswahlen nacheinander haben an der bornierten Wahlkampfstrategie und dem Gejammer der Genossen darüber, was mit der Union alles nicht gehe, nichts ändern können.
Die Rechten unter sich
Jetzt zu glauben, die Opposition, eine Tolerierung oder gar eine alberne KoKo seien besser für die SPD, ist wirklich jämmerlich. Sorry liebe Jusos, ihr seid doof. Wo ist die Kritik an dem SPD-Führungspersonal, das seit Schröder immer noch weitermachen darf? Sanktionen gibt es keine, nur Bewunderung und Beförderungen wie die für Steinmeier. Die Kritik am fatalen Agenda-Kurs ist längst verstummt. Eine mögliche Abkehr von diesem schrecklichen Verarmungsprogramm spielt bei den vermeintlich inhaltlichen Erneuerungsankündigungen dieser Tage keine Rolle.
„Die AfD ist ein verspätetes Kind der Agenda 2010“, sagte Christoph Butterwegge vor einem Jahr vollkommen zurecht. Man traue der SPD halt nicht mehr zu, dass sie wirklich etwas für die Unterprivilegierten tue, so der Armutsforscher. Und solange die Rechten in der SPD weiterhin das Sagen haben, wird sich daran auch nichts mehr ändern. Sie haben an einer inhaltlichen Erneuerung kein sonderliches Interesse und ersticken jeden noch so progressiven Ansatz sofort im Keim. Das ist die bittere Realität.
Nach dieser Bundestagswahl ist die linke Mehrheit endgültig passé. Union, FDP und AfD jubelten darüber übrigens gemeinsam, was offenbar kaum jemanden zu interessieren schien. Doch die lautstark auftretenden Feiglinge von rechts wollen nicht zusammen regieren, weil sie genau wissen, dass sie gemeinsam noch stärker werden können, wenn das lästige Regierungsgeschäft weiter von den Rechten in der SPD erledigt wird. Die haben ihre innerparteilichen Positionen gerade erst wieder gefestigt und heucheln zur Ablenkung etwas von Ergebnisoffenheit. Doch Ergebnisoffenheit wird es genauso wenig geben, wie die versprochene Erneuerung oder gar Einsicht in die vorangegangenen Fehlleistungen.
Einstimmig mal so und so bedeutet einfach nur Weiter so
Hinter dem ganzen Affentheater verbirgt sich daher nichts anderes als das schlichte Weiter so. Dabei fragt niemand, was das eigentlich für ein Parteivorstand ist, der erst einstimmig nein zur GroKo sagt und dann wenig später wieder einstimmig die Aufnahme von Gesprächen mit der Union empfiehlt? Die Wiederwahl ist dennoch sicher, genau wie das berühmte „ehrliche Ergebnis“ für den Parteichef, der zwar als schlechter Stratege kritisiert wird, nicht aber die über 30 Sozialdemokraten, die im Parteivorstand einstimmig dem Zickzackkurs ihren Segen gaben?
„Die Krise, die dieses Land jetzt hat, hat Frau Merkel verursacht, hat Herr Lindner verursacht, haben andere verursacht, aber wir doch nicht“, rief Martin Schulz auf dem Bundeskongress der Jusos. Alle klatschten. (Siehe oben, die Jusos sind doof.) Die haben den Scherbenhaufen angerichtet und wir sollen das jetzt aufkehren, fügte SPD-Vize Stegner hinzu. Doch den Scherbenhaufen haben die jammernden sozialdemokratischen Fachkräfte mit ihrem katastrophalen Abschneiden bei der Bundestagswahl selbst angerichtet.
Doch Konsequenzen hat das wieder mal keine, weder personell noch inhaltlich. Laut Sprachregelung der führenden Funktionäre könne die Niederlage 2017 wie 2005, 2009 und 2013 nur etwas mit einem Vermittlungsproblem zu tun haben. Der Wähler ist halt immer noch zu blöd, die an sich gute SPD-Politik einfach zu verstehen. Nach dem Gipfel der Verlierer im Schloss Bellevue war daher sehr schnell klar, dass statt der erhofften Zeit für mehr Gerechtigkeit nun doch mehr Zeit für die Regierungsbildung erforderlich würde.
Da in diesem Verfahren auch die Befindlichkeiten der CSU unbedingt berücksichtigt werden müssen, kann es sehr gut sein, dass die Regierungsbildung vielleicht erst nach der Landtagswahl in Bayern gelingt. Warum auch nicht? Deutschland hat ja eine geschäftsführende Regierung, die genau das gleiche macht, wie vorher auch. Da könnten die Beteiligten doch Gefallen dran finden. Wir wollen doch nicht jammern. Außerdem sind mit der Diätenerhöhung und der Verlängerung von Bundeswehreinsätzen auch schon die wirklich wichtigen Beschlüsse auf den Weg gebracht. ;-)
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.