Es folgt ein ironischer Rückblick auf Sondierungen, die keine waren, sondern nur ein lang andauerndes Schwarze Peter Spiel. Dabei geht es, wie jedes Kleinkind weiß, nicht um eine Einigung, sondern darum, Kartenpaare zu sammeln und abzulegen sowie darauf zu achten, die Problemkarte am Ende nicht mehr in den Händen zu halten. Üblicherweise benötigt solch ein Spiel eine gewisse Vorbereitungszeit. Die dauert in der Regel ein paar Minuten oder wie im jüngsten Fall auch mal vier Wochen.
Bis zur Schließung der Wahllokale machte die SPD immer wieder deutlich, auf jeden Fall die Spielleitung aus Verantwortung für das große Ganze übernehmen und deshalb auch die Karten künftig verteilen zu wollen. Überrascht zeigten sich daher die übrigen Mitspieler, als sich die SPD kurz nach Bekanntgabe der ersten Prognosen blitzschnell aus der Runde zurückzog und verkündete, künftig weder mitspielen, noch aussetzen zu wollen. Man erhoffte sich wohl, durch Nichtteilnahme am Spiel, dem Schwarzen Peter am Ende zu entgehen.
Die überraschte FDP ging mit dem Ziel in die Sondierungsgespräche hinein, nur an Image hinzugewinnen zu wollen, nicht aber als Teil einer neuen Regierung dort wieder herauszukommen. Dafür galt es, das absehbare Scheitern der Gespräche anderen elegant in die Schuhe zu schieben. Die Grünen gingen in die Verhandlungen mit der Aussicht hinein, endlich wieder Teil einer Regierung sein zu können, durchschauten aber schnell die Absichten der FDP. Ihnen war klar, dass man den Grünen den Schwarzen Peter zuschieben würde, wie die permanenten Angriffe der CSU unter Duldung der FDP nach und nach zeigten.
Die deutlich geschrumpfte bayerische Regionalpartei hatte wiederum ebenfalls kein großes Interesse, ein Jahr vor der wichtigen Landtagswahl, in eine als weichgespült wahrgenommene Bundesregierung mit den Grünen einzutreten. Bis zuletzt fuhr Kettenhund Dobrindt daher seine Beißattacken auf die Grünen, die aber wiederum den Entschluss fassten, unter keinen Umständen die Sondierungsrunde zu verlassen. Erkauft wurde das mit allerhand blödsinnigen Zugeständnissen, wie den zuletzt atmenden Rahmen in der Flüchtlingspolitik.
Der CSU dämmerte daraufhin, dass sich die Grünen mit den üblichen Methoden nicht vertreiben lassen, weshalb man schließlich eine Einigung mit ihnen einfach mal vortäuschte, um der FDP den Ausstieg zu erleichtern. Denn auch die CSU wusste, dass die Liberalen eigentlich gar nicht wirklich mitregieren, sondern lieber in der Opposition lautstarken Krawall machen wollen. Das hat wiederum der Gauland von der AfD sofort erkannt und schon mal die Urheberrechte für die Verbreitung nationalistischen Unfugs umgehend für sich und seine Fraktion reklamiert.
Ist das Schwarze Peter Spiel damit beendet? Natürlich nicht. Die ungeliebte Karte landet, wie sollte es auch anders sein, mal wieder bei der SPD, die zwar ihre Nichtteilnahme am Spiel immer wieder beteuert, aber trotzdem genügend Falschspieler in den eigenen Reihen duldet, die nun ihre heimlich angelegten Kartensammlungen präsentieren, um sich für neue Aufgaben und Posten zu empfehlen. Gut möglich, dass der Schwarze Peter dann an einem ehemaligen Buchhändler aus Würselen hängen bleibt.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.