Die SPD-Führung meint, dass ihre Entscheidung, nach der Bundestagswahl in die Opposition zu gehen, den Erfolg der Partei in Niedersachsen mit ermöglicht habe. Nun bleibt der SPD in Niedersachsen aber nur die Große Koalition als einzige Möglichkeit, um wieder in Regierungsverantwortung zu kommen. Ein Dilemma mit Ansage.
Dass der Erfolg der SPD in Niedersachsen keiner ist, hat sich inzwischen auch bei den Sozialdemokraten herumgesprochen, die rechnen können. Für Rot-Grün reicht es nicht mehr und die Ampel ist ausgeschlossen. Das schreckt die SPD, die den Übertritt einer Abgeordneten für moralisch so verwerflich hielt, dass sie Neuwahlen als einzig mögliche Konsequenz betrachtete, nicht davon ab, um die Stimmen der FDP-Abgeordneten mit offenbar moralisch verwerflichen Angeboten zu werben.
Das ist ja durchaus nachvollziehbar, nachdem die Bundes-SPD die Große Koalition vor drei Wochen zum ganz großen Übel erklärt hatte und sich bereits eine Minute nach Schließung der Wahllokale für die Opposition entschied. Da kann man ja jetzt nicht in Hannover wieder eine Große Koalition eingehen. Man muss es aber, wenn man will, dass Stephan Weil Ministerpräsident bleiben soll. SPD-Vize Schäfer-Gümbel meint:
„Ich glaube, dass dies ein Comeback der SPD ist. Die Klarheit unserer Entscheidung hat dazu beigetragen, dass die Leute uns zumindest wieder zuhören. Und es ist das Bild zerbrochen, wonach die Sozialdemokratie nur an Dienstwagen und Posten hängt“
Ist das schon Kabarett? Die Anstalt mit Priol, Schramm, Barwasser, Malmsheimer und Uthoff sowie von Wagner läuft doch erst heute Abend im ZDF. Die rasche Entscheidung der SPD-Führung diente doch gerade dem Zweck, Posten zu sichern und einer fälligen Personaldebatte mal wieder einen Riegel vorzuschieben. Schäfer-Gümbel lobt auch noch das Verhalten der SPD, nach der Bundestagswahl nicht wie ein „aufgestobener Hühnerhaufen“ umhergelaufen und sich gegenseitig attackiert zu haben. Mit 20 Prozent ist man zwar keine Volkspartei mehr, aber wenigstens herrscht Ruhe im Karton. Wie erbärmlich.
Im Übrigen stimmen die Behauptungen des SPD-Vize schlichtweg nicht. So hat es ein Hauen und Stechen um die wenigen verbliebenen Posten in der Bundestagsfraktion gegeben. Damit der angeschlagene Parteichef mit Bundestagsmandat Andrea Nahles als Fraktionsvorsitzende durchsetzen konnte, durfte sich Hubertus Heil auf Druck der Seeheimer nicht um den Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers bewerben. Dort treibt nun der „geldpolitische Taliban“ Carsten Schneider sein Unwesen.
Die Hannover-Connection in der SPD schien geschlagen, Heil schmollte in der Ecke, doch mit dem Ergebnis in Niedersachsen droht nun die Rückkehr dieser Altlasten, wie Jens Berger auf den NachDenkSeiten anmerkte. Entscheidend ist, dass das Personalgerangel allein unter den Parteirechten ausgetragen wird. Mit einer erhofften programmatischen Erneuerung oder gar Abkehr von der falschen Agenda-Politik ist damit auch in Zukunft nicht zu rechnen.
Die Parteilinke findet hier gar nicht mehr statt oder schart sich hinter Martin Schulz, dem ja auch sie mit 100 Prozent zugejubelt hatten. Statt eine echte Personaldebatte zu führen, sprießen Mitmachformate wie „SPD++“ oder „SPD erneuern“ aus dem Boden. Das dient der Ablenkung, damit die Versager von gestern, auch morgen noch Parteifunktionäre sein können.
OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.