Aufrüstungswahn stoppen? Nicht mit der SPD!

Geschrieben von: am 06. Sep 2017 um 18:52

Eine schöne Rede hat Sigmar Gabriel am Dienstag im Bundestag gehalten. Er hat über eine ziemlich gefährliche Welt gesprochen, in der es inzwischen nur noch um Aufrüstung gehe. Deshalb müsse Abrüstung und Entspannung im Sinne Brandts erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden, forderte Gabriel zum Schluss seiner Rede ein. Aber nicht heute, hätte der Ex-SPD-Chef, der sicherlich auch im Sinne seines Nachfolgers sprach, hinzufügen müssen. Denn ein Antrag der Linken mit dem Titel „Aufrüstung ablehnen und Atomwaffen aus Deutschland abziehen“, der auch von den Grünen unterstützt wurde, schaffte es nicht mehr auf die Tagesordnung, weil die Große Koalition und damit auch die SPD das verhinderte.

Dabei hätte die SPD ein letztes Mal in dieser Legislaturperiode eine eigene Mehrheit nutzen und die Union damit auch im Wahlkampf gehörig unter Druck setzen können. Diese Möglichkeit wird es nach dem 24. September aller Voraussicht nach für eine sehr lange Zeit nicht mehr geben. Den Sozialdemokraten scheint das aber egal zu sein. Sie spulten die übliche Leier ab, wonach Martin Schulz erst an die Spitze der nächsten Bundesregierung stürmen und dann den Aufrüstungswahn schon stoppen werde. Außerdem habe die SPD eine Protokollnotiz zum Haushaltsentwurf des Finanzministers durchgesetzt, die bereits ein negatives Votum zur Rüstungsfrage enthalte.

Merkel muss es erlauben

Wie peinlich. Das Selbstbewusstsein der SPD-Bundestagsfraktion drückt sich also inzwischen in anhaltender Realitätsverweigerung und Protokollnotizen aus. Das schindet Eindruck beim Wähler, der eins mit Sicherheit verstanden hat. Merkel entscheidet über das Abstimmungsverhalten der Sozialdemokraten im Bundestag. Als sie die Ehe für alle beiläufig zu einer Gewissensfrage erklärte, machte die SPD mächtig Dampf und stimmte schließlich mit der Opposition – weil Mutti es erlaubte. Ein PR-Coup, der letztlich nichts kostete, niemandem wirklich weh tat und daher schnell wieder verpuffte.

Ein anderes Kaliber wäre es dagegen gewesen, wenn die SPD in Sachen Aufrüstung und Abzug von Atomwaffen ernst gemacht hätte mit ihrer Position, statt nur mit der Union darüber zu reden, was sich mit ihr nicht umsetzen lässt. Zitat Gabriel:

Das politische Symbol, die politische Handlung, die von Deutschland ausgehen muss, kann doch nicht sein, dass wir bei diesem Rüstungswettlauf mitmachen. Das Signal Deutschlands – und zwar egal, wer dieses Land regiert hat – war doch immer, dass Deutschland die Stimme des Friedens und Friedensmacht in der Welt sein will und bei 
der Aufrüstung nicht mitmacht. 


Den heutigen Sozialdemokraten fehlt einfach der Mut oder schlichtweg der Wille zur Umsetzung mit Mehrheiten, die da sind. Stattdessen rühmt man sich, die Regierungschefin vor Angriffen aus deren eigenen Reihen beschützt zu haben. Noch einmal Gabriel:

Ich kann mich daran erinnern, dass die SPD gelegentlich – gar nicht so selten – helfen musste, dass Sie gegen Seehofer und Schäuble einen Willen haben durften.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der Wille ist immer da!)

Von daher: Ich finde, wir haben gut auf Sie aufgepasst. Das kann man nicht anders sagen.

Mit anderen Worten. Gabriel und die SPD machen sich auch in der letzten Bundestagsdebatte dieser Wahlperiode lieber noch einmal hübsch für eine Fortsetzung der Juniorpartnerschaft an der Seite von Merkels Union als inhaltlich die klare Kante zu zeigen und Taten folgen zu lassen, die im Wahlkampf immer wieder versprochen werden. Das nennt man Unglaubwürdigkeit. Wer nun aber zur Unterwürfigkeit neigt oder sich mit der Rolle eines Anhängsels begnügt, sollte damit aufhören, so zu tun, als verkörpere er eine eigenständige politische Kraft.

 

 

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Helmut  September 6, 2017

    Als Gabriel einmal von Exportbeschränkung von Rüstungsgüter sprach gingen Gewerkschaften und Betriebsräte auf die Barrikaden. Arbeitsplätze sind wichtiger.

    Am 16./17. April 2016 besuchte Gabriel mit 100 Wirtschaftsfachleuten den ägyptischen Diktator Al Sisi in Kairo und verkaufte ihm 4 U-Boote. 2 sind bereits ausgeliefert worden. Gabriel nannte den Despoten einen „Bemerkenswerte Menschen“. In einigen Montagszeitungen einige niederschmetternde Kommentare. Ab 19. kam nichts mehr. Pressefreiheit!

    Unsere Regierung ist gar nicht mehr in der Lage über die Rüstung zu bestimmen. Das machen andere.

  2. Hartmut Schwarz  September 7, 2017

    Sigmar Gabriel versprach den EU Rentnern V O R einer Bundestagswahl, er würde die EU -Rente für alle Betoffenen, auf das Niveau eines „Altersrentners“ anheben. Wahlversprecher ! Sigmar Gabriel hat lediglich eine Anhebung für neue EU Rentner , nach der Wahl, in das Versprechen aufgenommen.
    Seit dem Moment, habe ich Gabriel und andere Schauspieler, wirklich beim Wort genommen.