Der Termin für Neuwahlen in Niedersachsen steht. Es ist nicht der 24. September, wie von einigen Strategen erhofft, sondern der 15. Oktober, letzter Feriensonntag. Der neue Landtag tritt dann vermutlich im November zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen und damit ganze drei Monate früher als das ohne Auflösungsbeschluss der Fall gewesen wäre. Der ganze Vorgang zeigt, den Aufwand hätten sich alle Beteiligten sparen können. Denn der viele Lärm führt vor allem zu jeder Menge Mehrarbeit.
Was machen Abgeordnete, die eben noch eine parlamentarische Krise an die Wand gemalt haben und schnellstmögliche Neuwahlen forderten, damit rasch wieder die berühmten klaren Verhältnisse herrschen? Sie schauen sich erst mal in aller Eile die 48 noch im Verfahren befindlichen Gesetzesvorhaben an, um zu entscheiden, was bis zum vorgezogenen Ende der Legislaturperiode noch verabschiedet werden kann. Darunter zählt zum Beispiel eine Flutopferhilfe im Rahmen eines Nachtragshaushalts und eine Reihe weiterer Gesetze.
Das heißt, der Landtag ist nach wie vor arbeitsfähig, entgegen der laufend vorgetragenen Behauptungen. Die Abgeordneten schaffen sich aber durch einen vorgezogenen Neuwahltermin jede Menge Druck, der nicht da wäre, wenn man auch noch die drei verbleibenden Monate, abzüglich Weihnachtspause, bis zum regulären Wahltermin am 14. Januar gewartet hätte. Eine schnelle Wiederherstellung der Stabilität sei ja das Ziel und diese könne nur durch Neuwahlen erreicht werden, heißt es immer wieder. Das Gegenteil ist aber richtig, die Fraktionen sorgen mit ihrem reflexartigen Ruf nach Neuwahlen für genau das Gegenteil.
Denn einiges wird aufgrund der Kürze der Zeit schlichtweg liegenbleiben müssen. Die Ergebnisse von Untersuchungsausschüssen zum Beispiel. Das ist für manchen sicherlich ein angenehmer Nebeneffekt. Andere Gesetzesvorhaben, übrigens auch solche von CDU und FDP, die ja angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse theoretisch auf den Weg gebracht werden könnten, will die vermeintlich neue Mehrheit erst einmal zurückstellen. CDU-Landeschef Bernd Althusmann verwies auf das Prinzip der Diskontinuität. Also, was in der laufenden Legislaturperiode nicht erledigt werden kann, verfällt.
Das stundenlange Ringen um den Neuwahltermin zeigt aber auch, dass die Landesregierung weiterhin arbeitsfähig ist. Denn nur sie allein bestimmt solche Dinge wie den Termin einer Wahl und setzte sich am Ende durch, weil die Landeswahlleiterin Ulrike Sachs ihre Meinung zum 24. September von „sportlich“ (angeblich ein Falschzitat) auf „ausgeschlossen“ wechselte und nach einer Prüfung zu dem Ergebnis kam, dass doch ein Termin im November ratsam sei. Das wäre dann in der Tat eine Steilvorlage für alle Glossenschreiber gewesen. Sie hätten die Schlagzeile formulieren können: „Kompromiss gefunden: Parteien, Parlament und Regierung einigen sich auf vorgezogene Neuwahlen am 14. Januar“
Durch den „Kompromiss“ wird die Legislaturperiode nun gerade Mal um drei Monate verkürzt. Die niedersächsischen Wähler werden also am letzten Wochenende in den Herbstferien (!) zur Stimmabgabe aufgerufen und dürften sich bis dahin vielleicht auch die Frage stellen, was das Ganze nun gebracht haben soll. Vor allem dann, wenn sie in den kommenden Wochen wieder von der einen oder der anderen Seite zu hören kriegen, dass bestimmte Dinge wegen der einen oder der anderen Seite gerade nicht umgesetzt werden können. Es wird sicherlich dann auch spannend zu sehen sein, wie viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden. Bei der letzten Landtagswahl waren es gerade einmal 59,4 Prozent.
AUG.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.