In Großbritannien begeistert ein Jeremy Corbyn mit der Formulierung „For the many, not the few“. Dahinter steckt ein Projekt der ernsthaften Erneuerung. Eine Alternative zur Alternativlosigkeit. In Deutschland findet Martin Schulz, sei es an der Zeit für mehr Gerechtigkeit, doziert dann aber stundenlang über die asymmetrische Demobilisierung und jammert über die Schwarzen, mit denen seine Sozen aber gern im Bett herum lümmeln.
Die SPD hat heute ihr Wahlprogramm beschlossen, also etwas, auf das andere bislang verzichten, wie die Sozialdemokraten meinen. Doch welche Begeisterungsformel steckt in dem Programm eigentlich drin, um ein gutes Wahlergebnis im Herbst erzielen zu können? Geschlossenheit. Das war die Hauptbotschaft aus der Dortmunder Westfalenhalle. Mehr gibt es nicht zu sagen, denn Diskussionen fanden gar nicht statt. Nicht einmal um angeblich strittige Themen wie die Vermögenssteuer. Zwar hat die Partei ein dickes Programm zusammengestellt, tut aber so, als hätte sie nicht gerade noch im Bundestag Seit an Seit mit Angela Merkel gegen die eigenen Überzeugungen gestimmt.
Die Beispiele sind endlos. Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung hat die SPD-Bundestagsfraktion am Freitag erneut abgelehnt. Heute steht sie im Wahlprogramm wieder drin. Die Verletzung von Grundrechten durch die Nutzung von Staatstrojanern hat die SPD ebenfalls letzte Woche im Bundestag beschlossen. Heute sagt Schulz unter dem Applaus der Delegierten: Jeder, der Grundrechte der Verfassung infrage stellen wolle, habe in der SPD eine entschiedene Gegnerin. Ja offensichtlich nicht! Die Ehe für alle wird auch wieder als Forderung erhoben. Schulz wolle keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem diese nicht festgeschrieben sei. Doch zusammen mit der Union hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Beschluss im Bundestag rund 30 Mal vertragt.
Der SPD fehlt es durch und durch an Glaubwürdigkeit, jammert aber über Merkel, die eine besondere Demokratieverachtung an den Tag lege. Das ist sicherlich richtig, doch wer wählt die denn immer wieder zur Kanzlerin? Die SPD-Fraktion. Wer trägt denn Merkels Politik auch gegen die eigenen Überzeugungen und trotz anderer Mehrheiten im Bundestag ständig mit und lässt sich sogar den Koalitionsbruch (siehe Rückkehrrecht in Vollzeit) seitens der Union gefallen? Die SPD-Fraktion. Und wer redet ständig von Gerechtigkeit und lädt sich dann ausgerechnet Agenda-Schröder zum Parteitag ein? Der darf dann auch noch sein desaströses Abschneiden von 2005 als Beispiel der Hoffnung anführen. So als ob es nicht diese vorgezogene Neuwahl war, die Angela Merkel erst ins Kanzleramt brachte, wo sie auch nach dem 24. September dank dieser mutlosen SPD auch weiterhin bleiben wird.
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.