Die SPD fährt in NRW ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten ein. Was die Sozialdemokraten verlieren, gewinnt die CDU hinzu. Dazu scheint es sogar für Schwarz-Gelb zu reichen. Eine Katastrophe, aber mit Ansage durch Absage. Hannelore Kraft ist in den letzten Tagen lieber über das Rote-Socken-Stöckchen der CDU gesprungen, als sich mit dem zu beschäftigen, was sozialdemokratische Politik sein sollte. Ihr Rücktritt ist konsequent, reicht aber nicht aus. Die SPD in Berlin muss sich in dieser Woche entscheiden, ob sie an der Seite der Union so weiter macht und noch einmal über ein Stöckchen springt – Stichwort Autobahnprivatisierung und ÖPP an Schulen – oder die umstrittenen Grundgesetzänderungen im Bundestag am Freitag noch verhindert und endlich aus der Großen Koalition aussteigt.
Weil die CDU es so wollte, schloss Hannelore Kraft noch einmal nachdrücklich ein rot-rot-grünes Bündnis kategorisch aus. Damit signalisierte sie den Wählern, „ich mache lieber Große Koalition“. Die Statistik zeigt: Ziemlich viele Stimmen wanderten deshalb direkt von der SPD zur CDU. Das heißt, wenn die SPD keine Alternative anbietet, wird sie auch nicht gewählt. Wenn sie nur die Aussicht auf eine Große Koalition zulässt, profitiert die Union. Dass es jetzt sogar für Schwarz-Gelb reichen könnte, ist der Super-Gau und ein deutliches Signal für den Bund, dass eine Regierung auch gänzlich ohne die SPD möglich ist.
SPD muss Notbremse ziehen, um voranzukommen
Über die Stöckchen der Union zu springen, bringt also nichts. Es hat daher auch keinen Sinn, an diesem Freitag für die Autobahnprivatisierung zu stimmen und damit institutionellen Anlegern wie Banken und Versicherungen öffentliches Eigentum auf dem Silbertablett zu servieren. Was werden die Wähler wohl davon halten, wenn sie merken, dass die Privatisierung der Autobahnen doch möglich ist, obwohl die SPD ständig etwas anderes behauptet hat? Achtung Dialektik: Der Schulz-Zug kann nur dann noch einmal Fahrt aufnehmen, wenn der Lokführer endlich die Notbremse zieht und begreift, dass er in eine andere Richtung fahren muss.
Ein klares Nein zu den 13 Grundgesetzänderungen, 5 Begleitgesetzen und 18 weiteren Gesetzesänderungen am Freitag wäre eine zwingende Voraussetzung dafür. Nur dieses Bremsmanöver könnte die SPD noch retten. Diese Entscheidung würde natürlich auch das Ende der Großen Koalition im Bund bedeuten, was nicht tragisch ist, da das Konzept von äußerer Opposition durch einen Kandidaten, der mit der GroKo angeblich nichts zu schaffen hätte, kläglich gescheitert ist. Leider wird es dazu nicht kommen. Mit dem Rücktritt von Kraft wurde ja dem Zweck, Konsequenzen aus der Wahlschlappe gezogen zu haben, bereits Rechnung getragen. Das ist wie bei Steinbrück 2013. Er musste gehen, damit die anderen so weiter machen konnten, wie bisher.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.