Mit Blick auf den Ausgang der ersten Wahlrunde in Frankreich haben sich viele Kollegen in den Medien festgelegt. Es mangelt an aufrechten Demokraten, die sich nun geschlossen gegen den Rechtsextremismus wenden und ihren Wählern empfehlen, in der Stichwahl am 7. Mai für Emmanuel Macron zu stimmen. Gemeint ist Jean-Luc Mélenchon, der bislang eine Wahlempfehlung schuldig blieb und deshalb keinen Anstand besitze, wie heute im Leitartikel der HAZ von Andreas Niesmann zu lesen ist. Er spricht vom Totalausfall der Linken, legt aber als Autor selbst einen hin.
Mélenchon hat verloren und müsse nun für Macron kämpfen, alles andere sei schäbig und nütze nur den Feinden der Demokratie. Diese simple Sicht der Dinge ist schon sehr seltsam, weil der Autor offenbar davon ausgeht, dass die Wähler anderer unterlegener Kandidaten per Aufruf automatisch Macron ihre Stimme geben würden. Nur warum sollten beispielsweise die Wähler des konservativen Fillon das tun? Schließlich hat der Teile des Programms von Marine Le Pen einfach übernommen und den Ton gerade nach Bekanntwerden der Affäre um eine mögliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau weiter verschärft. Fillons Programm sei nicht pro-europäisch, sondern eher „Le-Pen-light“ gewesen, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyne Gebhardt (SPD) heute im Deutschlandfunk.
Wenn das stimmt, wieso wird dann nicht Fillon als extremistisch von den Qualitätsmedien eingestuft, sondern nur Le Pen? Weil es offenbar nicht zum eigenen Weltbild passt. Es geht dem Autor der HAZ wohl darum, vom Totalausfall der bislang Regierenden – und Fillon gehörte als Premierminister unter Sarkozy dazu – abzulenken, die, egal ob sie sich eher links, rechts oder in der Mitte des politischen Spektrums verorten, bei der Durchsetzung der marktkonformen Demokratie im Grundsatz alle die gleiche Meinung vertreten. Und wenn es dann eng für die jeweilige Regierung wird, weil noch radikalere Kräfte dem Protest der Wähler eine Stimme geben, kopieren die demokratischen Saubermänner inzwischen einfach das Programm der extremen Rechten, weil sie dadurch hoffen, deren Aufstieg noch irgendwie verhindern zu können.
Für die Übernahme rechtsextremer Positionen werden die etablierten Kandidaten und Parteien dann auch noch beklatscht, wie das Lob für Rutte in Holland zeigt, dessen Regierung zwar eine krachende Niederlage erlitt, der prognostizierte Zugewinn von Geert Wilders aber ausgeblieben ist. Den Linken wird hingegen ein Rechtspopulismus immer wieder unterstellt und permanent zum Vorwurf gemacht. So würde hierzulande Sahra Wagenknecht mit AfD-Vokabular regelmäßig Stimmung gegen Ausländer und Flüchtlinge machen, schreibt der Kollege Niesmann. Belege gibt es freilich keine, wohl aber dafür, dass die Große Koalition mit freundlicher Unterstützung eines Teils der Grünen das Geschrei der AfD immer wieder zum Anlass genommen hat, inhumane Deals mit Diktatoren zu vereinbaren, ein Asylgesetz nach dem anderen zu verschärfen und beispielsweise Flüchtlinge in Länder abzuschieben, die nachweislich nicht sicher sind.
Wer die Demokratie verteidigen will, muss offenbar nur auf der richtigen Seite stehen. Dann kratzen auch extrem rechte und menschenverachtende Positionen nicht am Image des vermeintlich Anständigen. Hauptsache das neoliberale Dogma vom Abbau des Sozialstaates, der Einhaltung schwarzer Nullen und der fortwährenden Privatisierung öffentlichen Eigentums bleibt unangetastet. Wofür Emannuel Macron steht, ist noch nicht vollständig klar. Er lächelt bisher nett in die Kameras und wird dabei wohlwollend als sozialliberal wie auch als europafreundlich beschrieben. Nur ist die Aussicht auf ein neoliberales Weiter so mit ihm als Präsidenten ebenso wahrscheinlich. Und das wäre weder nett, noch sozialliberal und schon gar nicht europafreundlich. Bliebe alles so wie es ist, wäre das nur ein weiteres Konjunkturprogramm für jene Rechtsextreme, die zu bekämpfen die Etablierten ständig vorgeben.
PS zum Schluss: Nach der absurden Logik Niesmanns „die Linken seien an allem schuld“ habe ein sturer Bernie Sanders dann auch irgendwie dafür gesorgt, dass nicht Hillary Clinton, sondern Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten geworden ist. Dass gerade ein Enthüllungsbuch über das katastrophale Wahlkampfmanagement Clintons erschienen ist, sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt. So schnell kann man das ja nicht gelesen haben. Der Zyniker würde an dieser Stelle aber vermutlich trotzdem noch die Frage stellen, ob es denn klug sein kann, den hackenden Russen in Moskau so derart vor den Kopf zu stoßen, wo doch inzwischen jeder weiß, dank akribischer Arbeit deutscher Leitartikler, dass nur der Russe entscheidenden Einfluss auf Wahlausgänge im Westen hat.
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.