Wenn an der Börse die Sektkorken knallen, muss die Fortsetzung der bisherigen Politik gesichert sein. Das ist eigentlich ganz einfach zu verstehen. Dennoch glauben viele, mit Emmanuel Macron beginne nun so etwas wie eine andere, mutmaßlich sozialere Politik. Vor allem die deutschen Sozialdemokraten blamieren sich mit ihrer Lobhudelei auf einen Kandidaten, der im Grunde für einen strammen Neoliberalismus und damit für die Fortsetzung der bisherigen Politik steht.
Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, wird wie folgt zitiert:
Sollte Macron siegen, »dann könnten wir, er als Präsident in Frankreich und ich als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, auf der Grundlage einer nachhaltig gestärkten deutsch-französischen Kooperation, die Reform der Europäischen Union in Angriff nehmen«.
Es darf nicht nur laut gelacht werden, angesichts der sinkenden Umfragewerte für den Buchhändler der SPD. Man darf auch entsetzt darüber sein, wie gleichgültig und ignorant sich die Sozialdemokraten erneut gegenüber dem Abschneiden ihrer Brüder und Schwestern in einem europäischen Nachbarland geben. So schaffte der Kandidat der Sozialisten (Benoît Hamon) bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich nur etwas mehr als sechs Prozent. Er und die Parti Socialiste (PS) sind damit von den Wählern mehr als deutlich abgestraft worden.
Vor fünf Jahren errang François Hollande als Kandidat der PS noch 28,6 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang. Im übrigen trotz der Einmischung Merkels, die Sarkozy als ihren Wunschkandidaten im Wahlkampf offen unterstützte. Das gute Ergebnis für Hollande kam nur deshalb zustande, weil er den Menschen ein Ende der europäischen Austeritätspolitik versprach. Er scheiterte aber schon bald an dem Duo Schäuble/Merkel und schwenkte schließlich auf die deutsche Linie ein. Das gefiel auch den führenden Agenda-Leuten in der SPD, die trotz ihrer jämmerlichen 23 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 in der Partei verbleiben durften.
Tiefer Fall
Dass es für die Sozialdemokraten noch tiefer gehen kann wenn sie sich vor dem Neoliberalismus verneigen, zeigt aber nicht nur die Präsidentschaftswahl in Frankreich, sondern auch die Parlamentswahl in den Niederlanden vor ein paar Wochen. Dort büßte das SPD-Pendant, die PvdA satte 19 Prozentpunkte ein und stürzte auf nahezu unbedeutende 5,7 Prozent ab. Die deutsche Sozialdemokratie jubelte aber auch damals, weil es ja gelang, einen zu großen Erfolg des Rechtsextremisten Geert Wilders zu verhindern. Die Sozialdemokraten bleiben damit Meister der Verdrängung und taub gegenüber dem Unbehagen der Menschen, die die Ergebnisse sozialdemokratischer Politik zunehmend skeptischer sehen.
Sie verkaufen die Wähler mit Begrifflichkeiten wie europafreundlich weiter für dumm, wenn damit nur ein Europa der Haushaltskonsolidierung um jeden Preis und unter deutscher Kuratel gemeint ist. Schon bald werden die Berliner Besserwisser aus dem Finanzministerium, die sich augenblicklich in Washington beim Internationalen Währungsfonds erneut heftiger Kritik ausgesetzt sehen, wieder zur Tagesordnung übergehen und von den Franzosen Reformen nach dem Vorbild der Agenda 2010 verlangen, verbunden mit einem verschärften Sozialabbau und weiteren Privatisierungen. Und während die Sozialdemokraten das als angeblich alternativlose wie bittere Notwendigkeit im Kern begrüßen, werden die Rechtsextremisten weiter an Zustimmung gewinnen.
APR.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.