Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich haben sich hierzulande viele führende Politiker erleichtert gezeigt (siehe unten). Mit Emmanuel Macron (23,8 Prozent) hat sich zunächst der Kandidat durchgesetzt, den man vorher als kompatibel zur marktkonformen Demokratie identifizierte. Ihn unterstützte vor allem die Bundesregierung tatkräftig, nachdem der eigentliche Wunschkandidat Fillon über zahlreiche Affären im Wahlkampf stolperte. Der Jubel ist aber unangebracht, denn Marine Le Pen fuhr mit 21,4 Prozent das beste Ergebnis für den Front National aller Zeiten ein.
Und dieses Ergebnis liegt nicht etwa an einer immer wieder unterstellten Einmischung der Russen in den Wahlkampf, sondern im Gegenteil an einer Einmischung all der Kräfte (vor allem der Bundesregierung), die um jeden Preis eine Machtsicherung des bisherigen Establishments erreichen wollten. Emmanuel Macron wird gern als unabhängig, sozial-liberal und progressiv beschrieben, der die jungen Menschen zu begeistern weiß. Das mit der Begeisterung mag ja stimmen, der Rest ist aber Quatsch. Macron ist ein ehemaliger Investmentbanker (die Börsen feiern bereits), der den Agenda-Politikern hierzulande und den Finanzmärkten näher zu stehen scheint als der Bewegung En marche!, die er ins Leben gerufen hat.
Die Euphorie wird aber der Enttäuschung weichen, wenn klar wird, dass Macron auch nur eine Verbeugung vor dem Neoliberalismus macht. Die einstigen Volksparteien haben unterdessen massiv an Zustimmung verloren. Sozialisten (mit Hamon marginalisiert) und Konservative (Fillon) haben den Einzug in die Stichwahl verpasst. Allein das sollte den Claqueuren hierzulande eigentlich zu denken geben. Sie ignorieren aber das Wählervotum, das den etablierten Parteien und damit der bisherigen neoliberalen Kürzungspolitik eine klare Absage erteilt hat. Dennoch ist es dem Wahlsystem Frankreichs zu verdanken, dass am Ende dann doch wieder die neoliberale Politik triumphieren wird. Aus Furcht vor noch Schlimmerem.
Mit der Angst spielen auch die anderen
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Reaktionen derjenigen, die die Angstkampagnen der Populisten immer wieder als demokratiefeindlich kritisierten, selbst aber nicht davor zurückschreckten, die Wahl zur Schicksalswahl und zur Abstimmung über Europa zu stilisieren. Sie setzen jetzt ihrerseits eine Angstkampagne fort, indem sie den Wählern von Jean-Luc Mélenchon mal eben unterstellen, in der zweiten Runde zu Marine Le Pen überlaufen zu wollen. Einige werden das aus Protest vermutlich tun, weil sie Macron mit seinem Programm des politischen Weiter so durchschaut haben und nach wie vor für unwählbar halten. Viele werden vermutlich aber gar nicht mehr oder ungültig wählen gehen. Ihnen ist der Zorn der Macron-Anhänger bereits sicher, die meinen, das alle Demokraten nun wieder zusammenstehen und Le Pen verhindern müssen.
Das ist ein beliebtes Mittel des Establishments, um die eigene Macht zu sichern. Man solle doch lieber das kleinere Übel wählen, um das noch größere Übel zu verhindern. In den USA hatte das zuletzt nicht mehr funktioniert. In Frankreich wird es noch einmal klappen, sind sich viele sicher. Dabei hat auch hier die Übelkeit die Grenze des Erträglichen schon längst erreicht, wie die Umfragewerte für Hollande zeigen. Es werden dann auch nicht die Wähler Mélenchons sein, die Le Pen noch stärker machen werden, sondern Macron selber, wenn er sein mit Merkel und Schäuble abgestimmtes Programm in die Tat umsetzt. Das Ergebnis der ersten Runde bietet daher keinen Anlass zum Jubel, sondern sollte einen Prozess des Nachdenkens auslösen, dass das vergiftete Lob aus Berlin und Brüssel erkennt. Wer Le Pen wirklich verhindern will, muss einen echten Politikwechsel vollziehen.
Gut, dass @EmmanuelMacron mit seinem Kurs für eine starke EU + soziale Marktwirtschaft Erfolg hatte. Alles Gute für die nächsten 2 Wochen.
— Steffen Seibert (@RegSprecher) April 23, 2017
Das Ergebnis für @EmmanuelMacron zeigt: Frankreich UND Europa können gemeinsam gewinnen! Die Mitte ist stärker als die Populisten glauben!
— Peter Altmaier (@peteraltmaier) April 23, 2017
.@sigmargabriel zu #Frankreichwahl: Bin froh, dass @EmmanuelMacron Wahlen anführen wird.Er war der einzige wirklich pro-europäische Kandidat pic.twitter.com/ML94mEdk28
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) April 23, 2017
Ich gratuliere @EmmanuelMacron! Alle DemokratInnen in Frankreich müssen sich nun vereinen, damit er und keine Nationalistin Präsident wird.
— Martin Schulz (@MartinSchulz) April 23, 2017
Glückwunsch an @EmmanuelMacron. Er ist ein Glücksfall für Frankreich und Europa. Er wird gegen Marine Le Pen gewinnen.#Frankreichwahl
— Thomas Oppermann (@ThomasOppermann) April 23, 2017
Hoffnung und Offenheit gewinnen gegen Angst und Nationalismus. Danke #Frankreich. Danke @EmmanuelMacron. #Europa
— K. Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) April 23, 2017
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.