Nach der Landtagswahl im Saarland und vor den kommenden Wahlen in Schleswig-Holstein, NRW und im Bund wird schon wieder die altbekannte Platte mit dem Lied über ein linkes Schreckgespenst gespielt. Es geht mal wieder um die Frage, wie es die SPD mit der Linken hält. Zwei Unwahrheiten werden dabei hartnäckig verbreitet.
Erstens wird behauptet, die SPD halte sich ein Bündnis mit der Linken offen. Das stimmt immer noch nicht. Die SPD hält sich vor allem ein Weiter-so offen, indem sie als Ziel ausgibt, politisch stärkste Kraft werden zu wollen, um dann möglichen Partnern eine Fortsetzung der bisher „erfolgreichen Politik“ zu empfehlen. Im übrigen werden die Sozialdemokraten nicht müde zu betonen, dass die Linke weder regierungsfähig noch regierungswillig sei. Damit schließt die SPD einen Politikwechsel erneut aus, schiebt die Schuld daran aber vorsorglich den Linken in die Schuhe. Später heißt es dann wieder, mit den Schwatten ist leider nicht mehr drin. Das sind die bekannten Ausreden der SPD, wenn sie an ihre Versprechungen erinnert wird.
Zweitens wird behauptet, dass die Mehrheit der Deutschen ein rot-rotes oder ein rot-rot-grünes Bündnis kritisch sehe oder ablehne. Das scheint, auf den ersten Blick zu stimmen, vermutlich weil die Wähler gar nicht wissen, wofür solch eine Konstellation eigentlich stehen soll. So ist weder bei Sozialdemokraten noch Grünen (auch die halten sich alles offen) klar, welche Ziele oder Projekte sich in einer Koalition zusammen mit Linken verwirklichen ließen. Bisher ist das Gerede um Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün daher nur eine Form von Farbenbingo. Falsch ist die Behauptung aber deshalb, weil gleichzeitig unterstellt wird, andere Bündnisse seien bei den Deutschen beliebter.
Dabei zeichnet eine Umfrage aus der vergangenen Woche, die nicht sonderlich beachtet wird, ein anderes Bild. Die Pressemitteilung von N24 / Emnid ist hier im Wortlaut wiedergegeben und um einige Anmerkungen von mir (tau) ergänzt.
N24-Emnid-Umfrage zu Schulz-Effekt und rot-rot: Mehrheit der Deutschen gegen Koalition aus SPD und Linkspartei im Bund
Große Koalition favorisiert
Mehrheit glaubt nicht an „Schulz-Effekt“
Berlin (ots) – Bei der Saarland-Wahl hat die Aussicht auf Rot-Rot anscheinend potentielle SPD-Wähler vertrieben. Sollte die SPD im Bund trotzdem weiter auf ein Bündnis mit der Linkspartei setzen? Und was ist eigentlich mit dem sogenannten „Schulz-Effekt“?
In einer repräsentativen N24-Emnid-Umfrage finden 61 Prozent der Befragten eine SPD-Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene „eher schlecht“. 29 Prozent der Deutschen finden ein solches Bündnis „eher gut“.
(tau) Es wird vermutet, dass die Aussicht auf Rot-Rot Wähler vertrieben hätte. Belege gibt es dafür keine. So kann es genauso gut sein, dass die Wähler wegen der Aussicht auf eine Fortsetzung der GroKo verschreckt waren. Am heutigen Montag behaupten dennoch alle Medien, es sei ganz sicher so gewesen, dass Rot-Rot der SPD Stimmen gekostet habe. Dabei zeigt das Wahlergebnis im Saarland nur, dass die CDU ihre Wähler besser mobilisieren konnte. Vielleicht hätte die SPD ihrer Wählerschichten auch stärker mobilisieren können, wenn es eine klare Aussage zu einem Politikwechsel mit den Linken gegeben hätte. Darüber ist aber nichts bekannt und so musste der Eindruck entstehen, dass die SPD ganz zufrieden in der GroKo ist. Bleibt die Frage aus linker Sicht, weshalb man etwas anderes hätte wählen sollen?
Überhaupt kommt eine mögliche Fortführung der großen Koalition bei den Deutschen noch am besten an: 26 Prozent der Befragten sind für eine Neuauflage der GroKo, nur 20 Prozent sind für Rot-Rot-Grün. Die Varianten Schwarz-Grün und Schwarz-Gelb kommen jeweils auf 14 Prozent Zustimmung, eine Ampel favorisieren 7 Prozent der Deutschen.
(tau) Überragend ist der Wert für die GroKo aber nicht. Im Gegenteil: Rot-Rot-Grün hat mit 20 Prozent ähnlich gute oder schlechte Zustimmungswerte. Man könnte daher genauso sagen, dass die Neuauflage einer GroKo auf ebenso deutliche Ablehnung stößt. Seltsamerweise wird aber behauptet, dass die Deutschen nur bei Rot-Rot-Grün Vorbehalte hätten. Erstaunlich wird das Ganze aber, wenn nun eine Ampelkoalition als plausible Alternative angepriesen wird. Dabei können sich nur 7 Prozent der Deutschen für diese auch inhaltlich höchst alberne Konstellation erwärmen. Die FDP hat sich auch schon sehr klar von der Schulz-SPD abgegrenzt und die Union als passenderen Koalitionspartner benannt. Damit scheidet die Ampel-Option aus. Dennoch glaubt die SPD, die immer wieder betont, sich nach niemanden richten zu wollen, die FDP später überzeugen zu können. Was heißt das eigentlich? Dass die SPD lieber eigene Positionen für die marktradikale FDP räumen würde, bevor sie eine sozialere Politik mit den Linken und der „Familie Lafontaine“ umsetzt?
Die mangelnde Beliebtheit von rot-roten Machtoptionen ist ein Problem für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz – aber vielleicht kann er das ja mit dem sogenannten „Schulz-Effekt“ wettmachen? 38 Prozent der Deutschen glauben, dass es diesen Schulz-Effekt noch immer gibt. 14 Prozent der Befragten glauben, dieser Effekt sei mit der SPD-Schlappe im Saarland bereits verpufft. 33 Prozent der Deutschen glauben, es habe ohnehin nie so etwas wie einen „Schulz-Effekt“ gegeben.
(tau) Hier wird falsch analysiert. Die rot-rote Machtoption ist nur bei den Agenda-Leuten und GroKo-Freunden in der SPD unbeliebt. Und weil auch ein Martin Schulz dieser immer wieder gezeigten Abneigung nichts entgegenzusetzen weiß, als die Floskel, stärkste Kraft und Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden, können auch die Wähler nicht erkennen, für was, außer die Fortsetzung der bisherigen Politik, die SPD eigentlich steht.
Auch die vielbeschworene These, mit Schulz sei die Politik wieder interessanter geworden, mögen die Deutschen mehrheitlich nicht bestätigen: Nur 22 Prozent der Befragten meinen, Politik sei für sie durch Martin Schulz wieder spannender geworden. 75 Prozent der Deutschen geben an, ihre Einstellung zu Politik habe sich durch den neuen SPD-Kanzlerkandidaten nicht verändert, 2 Prozent meinen sogar, Politik sei mit Schulz eher langweiliger geworden.
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.