Die SPD ist weiterhin im Höhenflug. Ihr Kandidat Martin Schulz sorgt nicht nur für einen „Mitgliederboom“, sondern auch für anhaltend gute Zustimmungswerte. Viele verbinden mit Schulz offenbar einen Politikwechsel und die Hoffnung auf mehr soziale Gerechtigkeit. Doch dieser Eindruck täuscht.
Neuerdings hat die SPD den Buchstaben Q für sich entdeckt. Dahinter verbirgt sich aber keinesfalls eine neue Art politischer Qualität, die künftig Teil des Programms sein soll, mit dem die Partei in die kommenden Wahlkämpfe zieht. Der Buchstabe Q steht vielmehr für den Quatsch Comedy Club, der im Willy-Brandt-Haus mit schwarzem Humor wöchentlich eine Form der Unterhaltung versucht.
Diesmal hat sich Arbeitsministerin Andrea Nahles in die Bütt begeben und mit ernster Miene ihr neues Konzept zum Arbeitslosengeld Q vorgestellt, das erstens gar nicht neu und zweitens schon einmal in ähnlicher Form gerade von der SPD in Regierungsverantwortung eingestampft worden war. So strich Olaf Scholz während seiner Zeit als Arbeitsminister im Kabinett Merkel I Gelder für Weiterbildung und Qualifikation. Jetzt stimmte er den Plänen von Nahles wiederum kommentarlos zu.
Diese Pointe müssen sich die Wähler übrigens selbst zusammensuchen. Entweder im Langzeitgedächtnis oder aber im Internet. Fabian Lambeck hat mal nachgeschaut und ist neben dem Verhalten der SPD als Partnerin in Großen Koalitionen auch auf Sozialkonzepte der Partei in Zwischenwahlkämpfen gestoßen. Vor der NRW-Wahl 2010 zum Beispiel stand bereits etwas von besserer Förderung von Menschen ohne Job auf der Agenda. Der Düsseldorfer Landtag wird auch in diesem Jahr neu gewählt und dazu der Bundestag im Herbst, was offenbar zur automatischen Mobilisierung des sozialen Gewissens auf Seiten der SPD führt.
Ein Recht auf Qualifizierung ist nun wieder eine zentrale Forderung der Sozialdemokraten. Dagegen gibt es auch nichts zu sagen. Das ist eine gute Idee. Allerdings gilt der aus Altbeständen recycelte Vorschlag von Andrea Nahles, und das ist der nächste Scherz aus der Gagschmiede der SPD, nicht für Empfänger des Arbeitslosengeldes II, kurz Hartz-IV. In diesem Bereich hatte die amtierende Arbeitsministerin vor zwei Jahren noch begonnen, den Rotstift anzusetzen. Sie hat auch Gelder, die eigentlich für die „Eingliederung in Arbeit“ gedacht waren, kurzerhand in den Verwaltungskostenetat der Jobcenter verschoben, wo sie für Qualifizierung der Betroffenen nicht zur Verfügung stehen.
Lieber die Ehe mit der Union
Verwaltung statt Förderung könnte man daher die bisherige Bilanz der SPD Arbeitsministerin überschreiben und das unter Beibehaltung eines menschenverachtenden Sanktionsregimes. Das rigorose Vorgehen der Behörden, bis hin zum totalen Entzug des Existenzminimums kümmert das soziale Gewissen der SPD kaum. Für die hart leidenden Menschen haben die Sozialdemokraten scheinbar wenig übrig. Na, nicht ganz. Andrea Nahles hat ja mal versucht, die noch strengeren Strafen für junge Hartz-IV-Empfänger zu lockern, scheiterte damit aber am Widerstand der CSU.
Sie kennen das ja schon, mit den Schwatten war und ist leider nicht mehr drin, bedauern die Sozialdemokraten in solchen Fällen gern. Das soll sich aber jetzt alles ändern. Passend dazu könnte die SPD im Bundestag doch etwas zum Thema Ehe für alle sagen. Eine Forderung, die die Partei in Wahlkampfzeiten auch immer wieder gern erhebt und jetzt noch durchsetzen möchte. Eine aktuelle Stunde auf Antrag der Grünen steht daher heute zu diesem Thema an. Vermutlich wird es aber dabei bleiben, dass die Ehe mit der Union für die SPD immer noch am wichtigsten ist.
MRZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.