Während der amerikanische Präsident Trump an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen will und dafür zurecht kritisiert wird, baut die EU auch eine, nennt die aber nicht so, sondern verharmlosend „Zehn-Punkte-Plan gegen illegale Einwanderung“.
Der Chef der SPD Bundestagsfraktion Thomas Oppermann ist jetzt übrigens auch dafür, Bootsflüchtlinge, die auf dem Mittelmeer gerettet werden, wieder nach Nordafrika zurückzuschicken. Ob der SPD Kanzlerkandidat Martin Schulz das nun auch für niederträchtig und hochgradig demokratiegefährdend hält?
Widersprüche
Die SPD ist im Augenblick im „Umfragehoch“. Mit 29 Prozent, aktuell von emnid gemessen, schneiden die Sozialdemokraten so gut ab, wie lange nicht mehr. Der Schulz Effekt bahnt sich seinen Weg. Union und SPD lagen in Umfragen zuletzt im Juli 2012 so nah beieinander. Allerdings und das gehört auch zu der Geschichte, holte die Union am Ende bei der Bundestagswahl 2013 fast die absolute Mehrheit. Insofern ist es noch ein langer Weg bis zur Kanzlerschaft, die Schulz anstrebt. Irgendwann muss er auch die Widersprüche aufklären, die durch seine Parteikollegen immer wieder aufgeworfen werden.
So findet es Thomas Oppermann inzwischen richtig, auf dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge wieder nach Nordafrika zurückzuschicken. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreibt er heute:
„Um die Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, indem die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden.“
Ob er damit auch die Geschäftsgrundlage für den Wahlkampf seines Kanzlerkandidaten entzieht? Aufnahmelager in instabilen nordafrikanischen Staaten einzurichten, das nennt so manch anderer Sozialdemokrat zurecht zynisch und menschenverachtend. Doch wie wird sich Martin Schulz dazu positionieren? Wird er Oppermanns Äußerungen ebenfalls unerträglich nennen, wie er das mit Blick auf die Einreisepolitik eines Donald Trump tat?
Retourkutsche
Vermutlich nein. Schulz, der als EU Parlamentspräsident die Große Koalition zwischen Sozialdemokraten und Konservativen wie kein Zweiter verkörperte, wird die inhumane europäische Abschottungspolitik irgendwie zu verteidigen wissen. Nur warum Thomas Oppermann inmitten der Euphorie-Welle um den Kandidaten Schulz dazwischenfunkt und sich ganz offen an die Union heran schmeißt, bleibt mal wieder ein Rätsel. Oder vielleicht doch nicht. Ist er doch bei der Kür des Kandidaten Schulz von Gabriel arg düpiert und vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Es könnte demnach auch eine Retourkutsche sein.
Bleibt die Frage, wie das große Dilemma der SPD nun weitergeht. Immer wieder hatte Schulz nach seiner Nominierung betont, dass die SPD eine Art Brandmauer sei und zwar stets dann, wenn die Demokratie gefährdet war. Die SPD stünde für ein offenes Gesellschaftsmodell, das Schulz und seine Genossen verteidigen wollen. Zu dieser heißen Luft passt die neue Haltung von Oppermann nun überhaupt nicht. Schulz müsste nach seiner Kampfansage gegen die Populisten und extremistischen Feinde der Demokratie auch Oppermann auf die Liste setzen.
Dabei werden die Widersprüche in der Flüchtlingspolitik nicht die einzigen bleiben. Beim großen Thema Gerechtigkeit dürfte es noch ausreichend Gelegenheit geben, um die SPD im Bundestag zu testen, wie ernst sie es denn mit ihrer Rhetorik meint. Die Linke hat schon angekündigt, entsprechende Anträge zu stellen, etwa die sachgrundlose Befristung endlich abzuschaffen, die ja von SPD, Grünen und Linken gleichermaßen gefordert wird. Wahrscheinlich ist aber, dass den Sozialdemokraten im Bundestag der Koalitionspartner dann doch wieder näher steht, als die eigenen Überzeugungen.
Außerdem hat Martin Schulz in seinem entlarvenden Interview mit der Funke Medien Gruppe bereits offenbart, dass er Merkel für die „geschäftsführende Vorsitzende einer stark sozialdemokratisch geprägten Bundesregierung“ hält und er das im Grunde genommen ganz toll finde. An einer gerechteren Politik ist dem Spitzenkandidaten der SPD damit nicht gelegen, sondern lediglich an einem Weiter so in bequemer Partnerschaft mit den Union. Und nach der Wahl gilt ohnehin der Satz, den Franz Müntefering einst prägte: „Wir werden an den Wahlversprechen gemessen – das ist unfair.“
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.