Zur Schau gestellte Arroganz

Geschrieben von: am 26. Jan 2017 um 19:06

Während in Berlin die SPD-Minister Steinmeier und Gabriel heute launige Reden im deutschen Bundestag hielten und dabei viel von Diplomatie, Demokratie und bilateralen Gesprächsformaten die Rede war, teilte Kabinettskollege Schäuble in Brüssel mal wieder ganz undiplomatisch und arrogant gegen Griechenland aus. Das war auch zu erwarten, nachdem der Streit zwischen den Gläubigern um die richtige Strategie weiter schwelt. An einer Umschuldung führt kein Weg vorbei. Schäuble weiß das auch, nur vor der Bundestagswahl die Wähler darüber in Kenntnis zu setzen, hat die graue Eminenz natürlich nicht im Sinn. Schäuble setzt lieber weiter auf Verschleppung und nimmt damit die Stärkung antieuropäischer Kräfte billigend in Kauf.

Die Griechen müssen heute ein weiteres Mal als Prügelknabe herhalten. Sie hätten sich wieder nicht an die Verabredungen gehalten, polterte der Finanzminister in seiner gewohnt ruppigen Art am Rande des Treffens der Eurogruppe.

„Ich weiß nicht, was die griechische Regierung sich dabei denkt, dass sie bis jetzt nicht das getan hat, wozu sie sich so oft verpflichtet hat.“

Was Schäuble Griechenland vorwirft, ist bekannt. Da geht es natürlich wieder um Kürzungsvorgaben und Überschussziele, die weit in die Zukunft hineinreichen und bei nüchterner Betrachtung niemals umgesetzt oder erreicht werden können. Mit dem Schäuble typischen Pochen auf vereinbarte Regeln, die er selbst nach Belieben zu brechen pflegt, versucht der Finanzminister die Diskussion vom notwendigen Schritt einer Umschuldung abzulenken. Je lauter er das macht, desto mehr Zeit erkauft er sich auf dem Rücken der griechischen Bevölkerung bis hin zur deutschen Bundestagswahl.

Dabei ist es nach wie vor unsinnig, einem wirtschaftlich danieder liegenden Land immer mehr Kürzungsdiktate aufzuerlegen, immer neue Schulden auf alte drauf zu packen und gleichzeitig zu behaupten, dass dieses Programm in irgendeiner Form vernünftig für Gläubiger und Schuldner sei. Statt das Treiben der Troika endlich zu beenden und beispielsweise mit Investitionen für positive Impulse zu sorgen, will Schäuble und damit die gesamte Bundesregierung von der Tatsache ihrer gescheiterten Austeritäts-Ideologie ablenken, die den europäischen Steuerzahler am Ende noch teurer zu stehen kommen wird.

Und wo ist die SPD? Sie feiert sich in Berlin selbst und geht neue Posten an, statt geschlossen aus der Regierung auszutreten. Dabei hatte der scheidende Vorsitzende Sigmar Gabriel in seiner Verzichtserklärung am Dienstag noch geschrieben:

Die bisherige Politik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble hat entscheidend zu den immer tieferen Krisen in der EU seit 2008, zur Isolierung einer dominanten deutschen Bundesregierung und – durch das unerbittliche Festhalten an der Austeritäts-Politik – zur hoher Arbeitslosigkeit außerhalb von Deutschland beigetragen. Eine Folge davon war die Stärkung antieuropäischer populistischer Parteien und die Beschädigung nicht nur der Demokratie, sondern auch eines guten Investitionsklimas. Auch unsere Regierungsbeteiligung in der großen Koalition hat zwar manches mildern können, aber die grundsätzliche Korrektur dieses Kurses war und wird mit CDU und CSU nicht gelingen. Dafür muss die SPD deutlich stärker werden und die nächste Bundesregierung anführen.

Man trägt den Kurs von Schäuble gegenüber Griechenland trotzdem verlässlich weiter mit und bereitet antieuropäischen Kräften damit das Feld, obwohl gerade der frisch gebackene Kanzlerkandidat Martin Schulz mit emotionaler Hingabe betonte, alles für den europäischen Zusammenhalt tun und entschieden den Spaltern entgegentreten zu wollen. Vermutlich wird aber nichts weiter geschehen. Jetzt geht es nach Protokoll. Demnach wird Gabriel morgen Außenminister, Zypries Wirtschaftsministerin und der heute mit Standing Ovations verabschiedete Steinmeier im Februar Bundespräsident. Es ist auch die zur Schau gestellte Arroganz der SPD-Führung, die alles im Grunde noch unerträglicher macht.

 

Dazu auch:

„Das sprengt den Rahmen der Demokratie“

0

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge