Das Dilemma der SPD ist riesengroß

Geschrieben von: am 25. Jan 2017 um 8:18

Das Dilemma der SPD ist riesengroß, sagte Rudolf Dreßler gestern bei phoenix. Und damit hat der Sozialdemokrat absolut recht. Die Parteigranden ficht das aber nicht an. Sie machten nach der überraschenden Verzichtserklärung Gabriels via Illustrierte Stern gute Miene zum bösen Spiel und auch so weiter wie bisher. Beschönigungen und alberne Kampfansagen wohin man schaut.

Bis auf Steinmeier, der sich schon von der SPD verabschiedet zu haben scheint (er war ja auch noch nie ein Sozialdemokrat), waren alle im Willy-Brandt-Haus anwesend, um der Erklärung von Gabriel und Schulz zu lauschen und demonstrative Geschlossenheit zu transportieren. Eigentlich konnte sich ja nur einer erklären, während der andere auf die Schnelle etwas improvisieren musste.

Gabriel hat mit seiner Ankündigung alle überrascht und in einer schriftlichen Erklärung, die im vorwärts nachzulesen ist, noch den Gag des Tages geliefert.

Es braucht also einen glaubwürdigen Neuanfang zur großen Koalition. Und den repräsentiert Martin Schulz in der deutschen Öffentlichkeit mehr als jeder andere von uns.

Das ist nichts anderes als die Fortsetzung eines Selbstbetruges. Martin Schulz ernsthaft als Neuanfang zu verkaufen, ist nicht nur irgendwie lustig, sondern muss für echte Sozialdemokraten auch furchtbar schmerzhaft sein. In der Fraktion soll Gabriel gesagt haben, dass seine Umfragewerte trotz angeblicher SPD-Erfolge in der Großen Koalition niedrig geblieben sind und er sich deshalb dazu entschieden hätte, Schulz den Vortritt zu überlassen. Doch diese Erkenntnis war überhaupt nicht neu, als dass sie Gabriel nicht schon längst hätte auffallen müssen.

Nun wird Schulz aber als der Kandidat gefeiert, der nicht nur bessere Umfragewerte/Wahlergebnisse verspricht, sondern auch von der Last des Kompromisses in der Großen Koalition befreit wäre. Beides ist falsch. In Brüssel war Schulz nur im Tandem mit Juncker zu haben. Im EU-Parlament hat er natürlich auf Große Koalition gemacht und musste zuletzt gehen, weil der schwarze Teil der GroKo wie vereinbart den Präsidentenposten zurückverlangte.

In bundesweiten Umfragen kam Schulz im Dezember auf 36 Prozent Zustimmung. Nur mal zum Vergleich: Trumps Umfragewerte als amtierender Präsident der USA liegen bei 40 Prozent und werden gemeinhin als katastrophal beschrieben. Nur weil Gabriel hierzulande auf 19 Prozent und Merkel auf 43 Prozent kommt, bedeutet das nicht, dass dieser Kandidat nun besonders beliebt wäre oder eine Wechselstimmung erzeugen könne und demnach Chancen hätte, die SPD zu einem Sieg zu führen. Allenfalls in eine weitere Große Koalition.

Denn in Brüssel hat sich Schulz im Umgang mit Griechenland bereits als Kettenhund Wolfgang Schäubles einen Namen gemacht. Wenn Schulz heute sagt, dass es mit ihm kein Europa-Bashing geben werde, ist das nicht mal mehr ein schlechter Scherz oder etwas, das man in die unterste Schublade packen würde. Denn Schulz ist maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass die Solidarität innerhalb Europas weiter geschwunden ist und der Nationalismus, den er nun laut beklagt, an Fahrt gewinnt.

Wenn Gabriel in seiner Erklärung nun Schäuble und Merkel die Hauptverantwortung an den tiefen Krisen der EU zuweist, ist das nur die halbe Wahrheit. Die SPD saß und sitzt da immer mit im Boot. Doch Gabriel schreibt seiner Partei nun eine Rolle zu, in der sie angeblich mildernd auf den harten Kurs der Union eingewirkt haben soll („Auch unsere Regierungsbeteiligung in der großen Koalition hat zwar manches mildern können, aber die grundsätzliche Korrektur dieses Kurses war und wird mit CDU und CSU nicht gelingen.“) Mal abgesehen von der Wiederholung des albernen Satzes, mit den Schwatten war leider nicht mehr drin, widerlegt man Gabriel doch am besten mit sich selbst.

„Deshalb werden Europa und Deutschland sich nicht erpressen lassen. Und wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen“

Sehr milde klang das damals nicht, was Gabriel via Bild-Zeitung in Richtung Griechenland sandte. Damals war es übrigens auch, als Gabriel im Stern sagte: „Es ist eine Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren gehört„. Doch seit dem er das gesagt hat, stiegen die Waffenexporte Jahr für Jahr unter seiner Verantwortung immer weiter an. Vermutlich wäre die Exportzunahme nach Logik Gabriels noch dramatischer verlaufen, wenn er und seine verantwortungsbewusste SPD nicht mildernd eingegriffen hätten.

Die SPD sollte die Wähler nicht weiter für dumm verkaufen und dringend ihr Verhältnis zur Großen Koalition klären, statt wieder nur eine Glaubwürdigkeit und gute Wahlaussichten unter den Bedingungen des Weiter-so herbeizufantasieren. Die SPD-Führung sollte auch damit aufhören, von einem Politikwechsel zu sprechen und gleichzeitig wie im Handstreich Posten neu zu verteilen, die die Gremien und Mitglieder der Partei im Nachhinein dann nur noch still abzunicken haben. So ist richtig, was Rudolf Dreßler sagt: Das Dilemma der SPD ist riesengroß.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Derweg  Januar 25, 2017

    Das Problem sind die Stamm- und Nichtwähler. Realistisch liegt die SPD seit über 10 Jahren stramm unter 20%. Nur siejt man es nicht. Die SPD hat in Berlin nicht 21,6%, sondern 14,5% eingefahren und stellt trotzdem den Regierungschef. Beim Bundestag wird es noch krasser, denn wen das eintritt was die Spatzen von den Dächern rufen, wird es massig Ausgleichsmandate geben, womit die SPD selbst bei schlechterem Ergebnis mehr Leute unterbringen kann als jetzt und das ist am EWnde das Einzige was zählt. Um Politik geht es schon lange nicht mehr.