Was für eine gelungene Schlagzeile und ganz im Sinne derer, die sich seit Jahren gegen ein rot-rot-grünes Bündnis zur Wehr gesetzt haben, als es tatsächlich noch möglich war. Jetzt, da es durch den Aufstieg der AfD rein rechnerisch immer unwahrscheinlicher wird, tun diese Kreise aber so, als sei ihr Interesse an Rot-Rot-Grün besonders groß. Dabei konnte man seit Jahren immer wieder den einen Satz lesen „Die Linke ist nicht regierungsfähig“. Vor allem SPD-Vertreter, jüngst tat das wieder Hannelore Kraft in NRW, bemühten diesen Satz, um ein linkes Bündnis von vornherein auszuschließen. Damit schieben die bisherigen Bremser (um nicht zu sagen Blockierer) eines Politikwechsels den Schwarzen Peter einfach nur weiter und die Presse fällt darauf herein.
Wie wäre es denn mit Rot-Rot-Grün im Bund? Das wäre seit über drei Jahren möglich. Dazu bräuchte es lediglich ein konstruktives Misstrauensvotum und eine SPD, die bereit wäre, sich von der Union zu lösen. Stattdessen tun die Sozialdemokraten aber so, als sei ein Bündnis mit CDU/CSU alternativlos, weil die Linke, es steht ja oben schon, einfach nicht regierungsfähig sei. Die SPD hingegen schon. Das stellten die Sozialdemokraten unter Beweis, als sie ihren eigenen Antrag zur Einführung eines Mindestlohns – eingebracht von den Linken – ablehnten. Das war während des ersten Merkel-Kabinetts von 2005 bis 2009. Auch damals hätte es schon eine linke Koalition geben können, aber, es steht ja oben schon, die Linke war da leider nicht regierungsfähig.
Nicht mal tolerieren
Im Jahr 2008 gab es eine Landtagswahl in Hessen mit einem äußerst knappen Ausgang, der die Logik einer unter fast allen Parteien grassierenden Ausschließeritis durchbrach. So beschloss die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti ein rot-grünes Bündnis zu schmieden, das allerdings von Linken hätte toleriert werden müssen. Wortbruch riefen Freund wie Feind und das Unterfangen endete im Desaster. Vier Mitglieder der SPD-Fraktion kündigten auch noch öffentlich an, Ypsilanti nicht zu wählen, obwohl in den Wochen zuvor, zahlreiche Regionalkonferenzen mit deutlichen Signalen grünes Licht für den Kurs der Spitzenkandidatin gaben.
Also wer bremst hier eigentlich seit Jahr und Tag ein rot-rot-grünes Bündnis oder besser gesagt einen Politikwechsel aus? Denn an Letzterem ist Sahra Wagenknecht gelegen, wenn man ihre Statements mal richtig zur Kenntnis nehmen würde. Rot-Rot-Grün wäre nämlich sinnlos, wenn es dabei nur darum ginge, eine neoliberale Politik zu verlängern. Rot-Rot-Grün wäre außerdem sinnlos, wenn die Unterstützung völkerrechtswidriger Kriege einfach fortgesetzt würde, was auf Seiten von SPD und Grünen gerne mit der Floskel „außenpolitische Verantwortung übernehmen“ verschleiert wird.
An den Bedingungen für einen Politikwechsel hat sich also nichts geändert. Da sind die Bremser die alten Genossen wie eh und je. Sollte es aber nur um Rot-Rot-Grün ohne einen Politikwechsel gehen, steht Wagenknecht vermutlich gern auf der Bremse. Warum auch nicht?
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.