Der Gesetzesentwurf für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern wird von der zuständigen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) als Durchbruch gefeiert. Das neue Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit gebe Frauen konkrete Mittel zur Durchsetzung ihrer Ansprüche an die Hand. Das reiche bis hin zur Klage vor Gericht, sagte die SPD-Politikerin im ARD-Morgenmagazin. Das wird in der Praxis wohl kaum funktionieren. Ein echter Durchbruch wäre es hingegen, das Arbeitnehmerdisziplinierungsinstrument Hartz IV endlich abzuschaffen.
Ich will nicht falsch verstanden werden. Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern ist ein wichtiges Thema und muss beendet werden, allerdings tut die Ministerin gerade so, als sei es für die Beschäftigten, egal welchen Geschlechts, ganz einfach, mit ihrem Vorgesetzten in einer gewohnten Art und Weise über eine angemessene Lohnhöhe zu verhandeln. Die Ministerin tut so, als liege es bisher nur an fehlenden Informationen, auf die Betroffene nun aber zurückgreifen können, um ihren Anspruch erfolgreich zu vertreten.
Guten Tag aus #Berlin! Heute hat die #Bundesregierung das Gesetz für #Lohngerechtigkeit beschlossen! pic.twitter.com/IiE3lyxYhR
— Manuela Schwesig (@ManuelaSchwesig) 11. Januar 2017
Es mag vielleicht Einzelfälle geben, bei denen das neue Gesetz etwas bewirkt, aber die meisten dürften sich mal wieder fragen, was hier eigentlich an Durchbruch so gefeiert wird. Wäre es zunächst nicht sinnvoller, etwas gegen die Auswüchse von Zeit- und Leiharbeit zu tun? Ach, da hat die SPD ja auch etwas geliefert. Arbeitsministerin Andrea Nahles legte kürzlich unter großem Tamtam ein Gesetz vor, dass Leiharbeitern nach 9 Monaten den gleichen Lohn zugesteht wie der Stammbelegschaft. Dabei hatte sie nur vergessen zu erwähnen, dass die meisten Leiharbeiter bereits nach sechs Monaten schon wieder ausgetauscht werden oder aber nach 18 Monaten Beschäftigungsdauer entlassen und nach drei Monaten „Aussetzphase“ wieder als Leiharbeiter eingestellt werden können.
Das zentrale Thema Erwerbsarmut hat die zuständige Arbeitsministerin natürlich auch behandelt und zuletzt mit der Vorstellung des regierungsamtlichen Armuts- und Reichtumsbericht auch schon wieder abgehakt. Die übliche Ressortabstimmung wird am Ende das bekannte Ergebnis liefern, Deutschland geht es gut. Doch das stimmt nach wie vor nicht. Ein Durchbruch wäre es daher, das endlich mal so anzuerkennen, gerade von Seiten der SPD, die sich zurzeit von der Union mit ein paar Fußfesseln wieder vorführen lässt. Und während sich die halbe Medienrepublik für den Namen eines Zählkandidaten im Rennen ums Kanzleramt interessiert, tröpfeln so beiläufig Versatzstücke des Wahlkampfprogramms in die weniger prominent platzierten Zeitungsspalten.
Da heißt es unter anderem vom SPD-Chef, er wolle Geld für Investitionen keinesfalls aus neuen Schulden bereitstellen, sondern genügend Einnahmen irgendwie aus der Besteuerung der Finanzmärkte und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung generieren. Das wäre aber ein recht dünnes steuerpolitisches Konzept, das die Frage nach der Finanzierung von notwendigen Aufgaben weiterhin unbeantwortet lässt. Eine Vermögensteuer? Fehlanzeige. Eine neue Erbschaftssteuer? Auch Fehlanzeige, da ein fauler Kompromiss bereits in dieser Legislaturperiode mit der Union vereinbart worden ist. Auch mit der SPD werden Reiche noch reicher (demnächst auch mit der Autobahngesellschaft) und der Rest immer ärmer.
Da wirkt ein Gesetz zum Abbau der Lohnungerechtigkeit schon reichlich komisch an. Vor allem auch vor dem Hintergrund schwindender Tarifbindung und Auslagerung von Beschäftigung an günstigere Servicedienstleister, die wiederum ihr Personal über Zeit- und Leiharbeitsverträge locker an sich binden. In diesen Betrieben verdienen vermutlich Mann und Frau schon gleich (schlecht) und akzeptieren es letztlich auch, weil in den Jobcentern noch mehr Menschen unter Androhung des Entzugs ihrer Existenzgrundlage darauf warten, jeden noch so schlecht bezahlten Job übernehmen zu müssen.
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.