Die Suche nach einem Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nimmt den zu erwartenden Verlauf. Von einem Konsenskandidaten, den die GroKo eigentlich in Eintracht präsentieren wollte, fehlt weiterhin jede Spur. Dafür erhöht Gabriel nun wieder die Bedeutung einer geschrumpften SPD und inszeniert ein Scheingefecht.
Via Bild-Zeitung (Montagsausgabe) bringt der SPD-Chef seinen Parteifreund Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Kandidat für das oberste Staatsamt ins Spiel. Der habe zwar auch aus Sicht von Gabriel wenig Chancen gewählt zu werden, besitze aber jenes Format, an das andere Bewerber heran reichen müssten, um für die SPD akzeptabel zu sein. Eine Überraschung ist das nicht. Denn solange die Suche läuft, wird Steinmeier von SPD-Führungsleuten immer wieder genannt, mit dem Zusatz, dass es ja eigentlich gar keinen besseren gebe.
Steinmeier, der Mann für jeden Umfragejob
Der einstige Referent Gerhard Schröders und Architekt der Agenda 2010 soll nun ein geeigneter Bundespräsident sein, weil er als Außenminister über gute Zustimmungswerte verfügt und als Diplomat oder Vermittler mit Ansehen genau der richtige Mann für den Job zu sein scheint. Offenbar kennen die wenigsten die Biografie Steinmeiers, der für die SPD als Kanzlerkandidat 2009 mit 23 Prozent das bisher schlechteste Ergebnis bei Bundestagswahlen eingefahren hat.
Ganz undiplomatisch und ohne große Diskussionen übernahm Steinmeier nach der historischen Niederlage mit viel Applaus das Amt des Fraktionsvorsitzenden, statt als Wahlverlierer zurückzutreten. Steinmeier blieb somit in einer Führungsrolle und wurde schließlich 2013 zum zweiten Mal Bundesaußenminister. Dabei rollte er seine gepackten Koffer noch vor der Abstimmung der SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag der GroKo ins angestammte Ministerium.
Ihm zugute halten muss man sicherlich seine Kritik an den jüngsten NATO-Aktivitäten in Osteuropa und Plänen zur Aufrüstung des Bündnisses. Diese Strategie bezeichnete der Außenminister im Sommer als Säbelrasseln und Kriegsgeheul. Dafür wurde er heftig attackiert. Gleichzeitig hält Steinmeier neben Entspannung aber auch viel von Abschreckung und gehört zu jenen Staatsmännern und Frauen, die auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 eine neue Agenda prägten, wonach sich Deutschland bei Krisen und Konflikten in der Welt mehr engagieren sollte.
Als Bundespräsident wäre Steinmeier damit genauso fehl am Platze wie es Gauck immer noch ist, Beliebtheit hin oder her. Umfragen bedeuten in diesem Zusammenhang gar nichts. Noch vor einem Jahr wurde Steinmeier als Kanzlerkandidat der SPD gehandelt, da er beliebter als Gabriel war und noch immer ist. Inzwischen ist Steinmeier auch beliebter als Merkel und hätte trotzdem keine Chance, je Kanzler zu werden. Steinmeier ist damit ausschließlich für Umfragejobs geeignet.
Alles für die GroKo
In der Bundesversammlung dürfte die erforderliche Mehrheit für Steinmeier ohnehin fehlen, das gibt ja auch Gabriel zu. Erstaunlich ist dann aber schon das Interesse an der rein fiktiven Personalie. Möglicherweise tut SPD-Chef Gabriel der schwächelnden Union auch einen Gefallen damit. Die hat nämlich ganz andere Sorgen, als sich um das Amt des Grußonkels zu kümmern.
Klammheimlich werden nämlich die Differenzen zwischen CDU und CSU aus dem Weg geräumt, um Angela Merkel die volle Unterstützung bei ihrer erneuten Kanzlerkandidatur zuteil werden zu lassen. Und eine Regierungschefin Merkel ist auch die Voraussetzung dafür, dass Steinmeier seinen eigentlichen Wunschposten Außenminister nach der nächsten Bundestagswahl behalten kann. Und darum geht es schließlich ganz konkret. Die Neuauflage der Großen Koalition.
Gabriel setzt Merkel mit dem Vorschlag Steinmeier damit keineswegs unter Druck, wie einige Medien unken. Ganz im Gegenteil. Er lässt ein Scheingefecht inszenieren, wie zuletzt bei einem Treffen von 100 Abgeordneten aus SPD, Grünen und der Linkspartei. Das fand auch nur deshalb die Aufmerksamkeit Gabriels, weil er dadurch der Öffentlichkeit eine Begründung liefern konnte, wieso die SPD, die in Umfragen wieder bei 23 Prozent angekommen ist, eigentlich einen Kanzlerkandidaten braucht.
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OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.