Es gibt mal wieder Neuigkeiten zur Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer. Verkündet werden die verhalten optimistischen Nachrichten vom Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er sieht Fortschritte auf dem Weg hin zur Einführung der Abgabe in mehreren europäischen Ländern. Im Allgemeinen sei eine Verständigung auf dem Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag erzielt worden. Das bedeutet natürlich gar nichts. Wie auch in den Jahren zuvor. Denn Schäuble will die Steuer einfach nicht. Ein Rückblick.
Schäuble fehlt der Willen, die Finanztransaktionssteuer einzuführen, behauptet aber mit Unterstützung der Medien immer wieder das Gegenteil. Dabei arbeitet der Mann schon unter zwei Regierungen an einer Umsetzung. Wie bei der angeblichen Rettung Griechenlands spielen die langen Zeiträume dem deutschen Finanzminister wieder in die Karten. Er täuscht Initiativen an, bremst kurz vor einer Einigung und nutzt die Aussicht auf eine solche Steuer, um andere Dinge durchzusetzen, wie den Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM im Jahr 2012 zum Beispiel. Seit Ausbruch der Finanzkrise geht das schon so. Doch es fällt nicht weiter auf. Schäuble gilt immer noch als beliebter Finanzminister, der alles versucht und einer Einigung am wenigsten im Wege stehe, so das immer wieder falsch vermittelte Bild.
Es folgt eine Auswahl an Artikeln seit dem Jahr 2010 zu den Suchbegriffen Schäuble und Finanztransaktionssteuer.
2010: Schäuble bleibt skeptisch
Finanzminister Schäuble sieht nur geringe Chancen, die Finanztransaktionssteuer international durchzusetzen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte unterdessen klar, dass er vorerst nur geringe Chancen für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sieht. Die meisten EU-Länder seien so wie die Bundesregierung der Meinung, dass eine solche Steuer nur weltweit sinnvoll sei. In Europa bestünden aber „erhebliche Zweifel“, ob sich eine solche Abgabe global durchsetzen lasse, sagte er beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde zeigte sich skeptisch hinsichtlich der Einführung einer solchen Abgabe. „Es wäre weit hergeholt anzunehmen, dass eine Steuer auf Finanztransaktionen erhoben wird“, sagte sie und dämpfte damit Erwartungen, die Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker kurz zuvor geweckt hatte.
Quelle: Tagesschau
Zu Beginn der Debatte bestimmten Zweifel das Geschehen. Es wurde über eine globale Umsetzung diskutiert, die sich mit Verweis auf die fehlende Einigkeit unter so vielen Staaten leicht verwerfen ließ.
2011: „Euro schrittweise weiterentwickeln“
Über den Euro sagte Schäuble weiter: „Wir werden diese europäische Währung nicht nur unter allen Umständen verteidigen, sondern wir werden sie auch schrittweise weiterentwickeln.“
Dazu gehört nach den Worten Schäubles auch eine Finanztransaktionssteuer, zu der der Koalitionspartner FDP allerdings auf Distanz geht. Schäuble betonte, die Bundesregierung sei geschlossen „für eine Finanztransaktionssteuer in Europa“. Hinter der Formulierung steht die Bedingung der FDP, eine solche Steuer nur einzuführen, wenn die gesamte EU mitmacht. Schäuble sagte, zunächst versuche man, sie in allen 27 Mitgliedstaaten der EU einzuführen. Wenn das nicht gelinge, „plädiere ich ganz persönlich für die Steuer in der Euro-Zone“.
Quelle: n-tv
Unter Schwarz-Gelb lief es für Schäuble super. Der Koalitionspartner stand als Verhinderer da, während der Finanzminister Handlungswillen simulierte und die Einführung der Steuer plötzlich als „realistisch“ einschätzte. Das setzte sich auch 2011 fort.
2011: Schwarz-Gelb streitet über Abgabe auf Geldgeschäfte
In der Koalition bahnt sich neuer Streit über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer an. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Volker Wissing, wies einen Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zurück, der die Einführung einer solchen Abgabe nur auf Ebene der 17 Euro-Staaten erneut als realistisch bezeichnet hatte.
Wenn eine Finanztransaktionssteuer nicht in allen 27 EU-Staaten durchsetzbar sei, „ist sie endgültig gescheitert“, sagte Wissing am Rande der FDP-Fraktionsklausur auf Schloss Bensberg.
Schäuble hatte zuvor auf der Klausur der Unionsfraktion in Berlin nach Angaben aus Teilnehmerkreisen gesagt, er sehe eine „realistische Chance“, die Finanztransaktionssteuer in den 17 Euro-Staaten einzuführen. Die Chancen auf Einführung der Abgabe in der gesamten EU schätzte er demnach gering ein.
FDP-Fraktionsvize Wissing verwies indes auf eine „klare Zusage“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an die FDP-Fraktion, nach der die Steuer „wenn überhaupt“ nur in allen 27 EU-Staaten eingeführt werde. Die FDP sei nicht bereit, den Finanzplatz Frankfurt am Main zu gefährden und die Verlagerung der Marktaktivitäten von regulierten auf nicht regulierte Märkte zuzulassen.
Wissing betonte aber, dass die Liberalen nicht an einem neuen Streit über die Abgabe interessiert seien. „Unsere Kompromissbereitschaft ist nach wie vor da.“
Quelle: Welt Online
Im Jahr 2012 brauchte Schäuble die Zustimmung von SPD und Grünen zum Fiskalpakt und den ESM Rettungsschirm. Mit der Aussicht, sich für eine europäische Variante der Finanztransaktionssteuer einzusetzen, köderte der Finanzminister die Opposition. Die waren aber keineswegs Opfer, sondern schlicht zu doof naiv, das Täuschungsmanöver Schäubles, den sie ja auch bewunderten, zu erkennen.
2012: Alle Neune – Schäuble formt „Koalition der Willigen“
Finanzminister Schäuble will eine Steuer auf Finanzgeschäfte auch mit einer kleineren Staatengruppe vorantreiben. Mit der Einführung der Steuer in der gesamten Europäischen Union wird es wohl nichts werden.
Deutschland hat die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in einer „Koalition der Willigen“ vorgeschlagen. Es gebe leider keine Chance, alle 27 EU-Staaten für die Abgabe zu gewinnen, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Luxemburg.
Deswegen solle der Ansatz einer verstärkten Zusammenarbeit versucht werden. Dafür muss sich eine Gruppe von mindestens neun Ländern zusammenfinden. Bei dem Treffen zeichnete sich dafür bereits eine Mehrheit ab. […]
Im Gegenzug für eine Zustimmung zu europäischem Fiskalpakt und dem Vertrag für den dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM hatte die Bundesregierung SPD und Grünen zugesagt, sich um eine Finanztransaktionssteuer in Europa zu bemühen. Schäuble erwägt nun, einen rechtlichen Sonderweg zu beschreiten und „im Wege der verstärkten Zusammenarbeit das Projekt voranzubringen“.
Quelle: Welt Online
Bereits im Jahr 2013, also kurz nach der Bundestagswahl, der die Bildung der jetzigen Großen Koalition folgte, lehnte Schäuble die Steuer schon wieder ab und warb zunächst wieder für eine weltweite und mindestens aber für eine europäische Variante. Vom angedachten Sonderweg war keine Rede mehr.
2013: Interview in der WirtschaftsWoche
Einen Alleingang Deutschlands zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer lehnt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Hinweis auf die Erfahrungen Frankreichs ab. […] In dem Gespräch erteilt Schäuble der Einführung einer nationalen Transaktionssteuer eine klare Absage. „Ob das (ein Alleingang, die Red.) so eine gute Lösung wäre, kann man sich ja mal bei unseren Nachbarn in Frankreich anschauen. Die haben ziemliche Schwierigkeiten und erzielen dabei nur eine sehr begrenzte Wirkung“, so Schäuble. „Ich bin deshalb nach wie vor ein Anhänger einer weltweiten, mindestens aber einer europäischen Finanztransaktionssteuer. Man kann eben Realität nicht allein durch Engagement ersetzen.“
Quelle: Interview in der WirtschaftsWoche
Ab dem Jahr 2014 bremst Schäuble verstärkt auf Europäischer Ebene, denn der Koalitionspartner ist ja für eine Steuer. Die Positionen liegen teilweise weit auseinander, lässt das Finanzministerium in einem internen Vermerk verlauten. Schuld sollen die anderen sein, die eine Vorgabe zur Umsetzung der Steuer gefährden würden.
2014: EU uneins über Finanztransaktionssteuer
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fürchtet eine Verzögerung. Die Differenzen zwischen den elf EU-Staaten, die eine Finanztransaktionssteuer einführen wollen, sind größer als bekannt. Die Positionen „liegen teilweise weit auseinander“, heißt es nach Informationen des Handelsblatts (Montagausgabe) in einem internen Vermerk des Bundesfinanzministeriums. „Die Einhaltung der Vorgabe, bis Ende des Jahres 2014 tragfähige Lösungen auf EU-Ebene zu finalisieren, wird hierdurch erschwert, wenn nicht sogar gefährdet“, schreiben die Beamten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Quelle: Handelsblatt
Dass Deutschland der Bremser ist, wird spätestens 2015 noch einmal klar, als bekannt wird, dass Schäuble bestimmte Akteure am Finanzmarkt von der Steuer ausnehmen will. Ein typischer Schäuble, der eine bestehende Einigung kurzfristig wieder infrage stellt. Am Ende behauptet Schäuble sogar, dass das deutsche „Mischmodell“ Zustimmung bei „vielen“ Ländern finde. Da aber nicht alle dabei sind, reicht es halt nicht zur geplanten Umsetzung der Steuer im Jahr 2016.
2015: Schäuble bremst bei Finanztransaktionsteuer
Elf Euro-Länder wollen die Finanztransaktionsteuer bis Jahresende verwirklichen. Doch nun weicht offenbar ausgerechnet Deutschland die Abgabe wieder auf. Ziel ist wohl eine Zwei-Klassen-Steuer, die nicht für alle Transaktionen gleichermaßen gelten würde. […]
Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im Europaparlament, kritisiert die deutsche Haltung: „In einer unheiligen Allianz betreibt Finanzminister Schäuble damit das Geschäft der Gegner der Finanztransaktionsteuer.“ Wer Pensionsfonds und Versicherungen ausnehme, schaffe unfairen Wettbewerb zwischen verschiedenen Finanzdienstleistern und zerstöre so die Idee der Steuer. Schäuble hatte jedenfalls schon beim letzten informellen Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg klar gemacht: Die Börsensteuer sei „ein kompliziertes Ding“ und niemand solle „die große Lösung“ erwarten.
Quelle: Süddeutsche2015: Finanztransaktionssteuer kommt 2016 noch nicht
Eine europäische Finanzsteuer wird nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht wie zunächst geplant kommendes Jahr eingeführt werden. „2016 werden wir nicht schaffen“, sagte Schäuble am Dienstag nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Dennoch gebe es Fortschritte in den Verhandlungen zwischen den elf Mitgliedsstaaten, die die Steuer auf Finanztransaktionen anstreben. Das von der Bundesregierung unterstützte Mischmodell finde auch Zustimmung bei vielen anderen Ländern. […]
Bislang hatten die EU-Ressortchefs angestrebt, die Finanzsteuer bis 2016 einzuführen. Deutschland, Frankreich und neun weitere Staaten hatten beschlossen, in der EU mit der Steuer voranzugehen. Damit soll der Finanzsektor an den Kosten der Krise beteiligt werde. Schäuble warnte allerdings vor „hohen Erwartungen“ an die Steuer: „Vielleicht setzt sie allmählich einen Prozess in Europa und darüber hinaus in Gang.“
Quelle: RP Online
In diesem Jahr kam dann plötzlich wieder eine Imageoffensive des deutschen Finanzministers. Beim G20-Treffen brachte Schäuble erneut eine globale Ebene ins Spiel und verkaufte den Vorschlag als bahnbrechende Initiative, die aber nur deshalb stattfand, weil die Verhandlungen auf europäischer Ebene offenbar gefährlich nah vor einem Abschluss stehen.
2016: Schäuble fordert globale Finanztransaktionssteuer
Deutschland ergreift die Initiative für eine Besteuerung von Finanztransaktionen auf globaler Ebene. Da eine solche Steuer allein in Europa wenig bringe, machte Wolfgang Schäuble (CDU) beim Treffen der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) überraschend einen entsprechenden Vorstoß.
Er habe zum ersten Mal auf globaler Ebene die Initiative ergriffen, sagte Schäuble am Samstag im chinesischen Chengdu. Hintergrund sei die G20-Debatte über eine faire und sozial ausgewogene Steuerpolitik sowie nachhaltiges Wachstum: „Das hat ja wunderbar in die Diskussion gepasst.“
Alle seien sich einig, dass es richtig wäre, eine Besteuerung der Finanzgeschäfte auf globaler Ebene einzuführen, sagte Schäuble weiter. „Nur hat es bisher niemand versucht.“ Deshalb habe er den ersten Aufschlag gemacht und für eine globale Finanztransaktionssteuer (FTT) als weiteren Schritt in der „so fruchtbaren Zusammenarbeit“ der G20-Staaten geworben. Auch in Europa stoße man immer an Grenzen, weil nur Verschiebungen bei der Besteuerung von Geschäftsmodellen erreicht würden: „Deshalb muss es global gemacht werden.“
Quelle: Focus Online2016: Schäuble sieht Bewegung bei Finanztransaktionssteuer
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht Fortschritte auf dem Weg hin zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in mehreren europäischen Ländern. „Auf der Basis der österreichischen Vorschläge haben wir im allgemeinen eine Verständigung erzielt“, sagte Schäuble am Dienstag in Luxemburg nach einem Treffen der EU-Finanzminister.
Länder, die zuvor Vorbehalte äußerten, hätten diese zurückgenommen. Jetzt soll die EU-Kommission einen Vorschlag für eine solche Abgabe erarbeiten. „Und bis Jahresende wollen wir also eine Entscheidung haben, möglichst eine positive“ sagte Schäuble. „Im Grunde sieht es danach aus.“ In der Sache bestehe jetzt Einigkeit.
“Wenn alles gut geht können wir im Dezember ja oder nein sagen“, sagte der Minister. Er wolle aber nicht zu viele Erwartungen schüren. Wenn es ganz schnell gehe, sei der 1. Januar 2018 „ein denkbares Datum“ für die Einführung, sagte Schäuble am Dienstag.
Quelle: FAZ
Daher zeigt sich Schäuble nach dem Treffen am vergangenen Dienstag auch verhalten optimistisch. Wenn alles gut geht, könnte es im Dezember eine Entscheidung geben, so Schäuble. Ihm wird sicher noch etwas einfallen, um mit nein stimmen zu können. Denn:
Schäuble will die Steuer nicht!!!
OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.