Der SPD Konvent hat heute erwartungsgemäß dem Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel freie Hand erteilt, um im Handelsministerrat der EU für das Freihandelsabkommen CETA und seine vorläufige Anwendung stimmen zu können. Im Gegenzug versprach Gabriel seiner Partei einen „ausführlichen Anhörungsprozess“ und die Durchsetzung rechtsverbindlicher Zusatzerklärungen zum CETA-Vertrag, dessen Text selbst aber nicht mehr angetastet werden soll. Ob diese von innerparteilichen Kritikern geforderten Klarstellungen jemals Wirklichkeit werden, ist allerdings höchst fraglich, da sich Mehrheiten auf europäischer Bühne eben nicht so leicht organisieren lassen wie in einem Parteikonvent der SPD.
Sigmar Gabriel tut gerade so, als hätte es bislang noch keinen Handel mit Kanada gegeben und CETA sei daher zwingend nötig, um auf den Märkten dieser Welt weiter mitspielen zu können. In seiner Erklärung brachte es der SPD-Chef außerdem fertig, den Satz Merkels von der marktkonformen Demokratie zu kritisieren, um im gleichen Atemzug den Beschluss von heute zu loben, obwohl der in Wirklichkeit nichts anderes als ein Kniefall vor ebendieser neoliberalen Wirtschaftsordnung ist. Um dahin zu gelangen musste Gabriel seine Partei noch veranlassen, jene Stoppschilder zu überfahren, die sie selbst gemeinschaftlich, um nicht zu sagen, demokratisch aufgestellt hatte. Starke Leistung SPD.
Gabriel verteidigte sein Vorgehen damit, dass es ja nicht sein könne, dass Deutschland in Europa schon wieder sage, wo es langgehe. Ein sehr schwaches Argument. Denn es bringt ausgerechnet der Mann, der vor etwas mehr als einem Jahr via BILD-Zeitung übelste Griechenland-Hetze betrieb und sich wie folgt zitieren ließ: „Und wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen.“ Nun sagt er im übrigen auch, wo es langgeht, indem er einen Beschluss durchsetzt, der klar gegen das verstößt, was die Partei einmal beschlossen hat.
Chance verpasst
Diktat statt Demokratie, es aber nicht so aussehen lassen, scheint nun Gabriels Devise, wenn er mit dem Ergebnis des Parteikonvents im Rücken die Hand im Ministerrat heben darf. In Österreich findet dagegen ein etwas demokratischerer Prozess über CETA statt, den die SPD hierzulande lieber nicht einleiten wollte, obwohl es große Demonstrationen gegen die Freihandelsabkommen an diesem Wochenende auch in deutschen Städten gab.
Die SPÖ befragte bis gestern Bürger via Internet und nicht nur einen kleinen Kreis von 235 Delegierten eines Partei-Konvents, bei dem im Vorfeld der Leitantrag so zurechtgebastelt wird, dass alle oder Zweidrittel, so genau wollte es der kleine Parteitag der SPD dann doch nicht wissen, zustimmen konnten. Es ist also falsch, wenn Gabriel sagt, dass Deutschland mit einem negativen Votum wieder allein den Ton in Europa angegeben hätte, vielmehr hat Gabriel die Chance verpasst, sich mit guten Gründen an die Spitze einer breiten Bürgerbewegung zu setzen und verspielte Glaubwürdigkeit für die Sozialdemokratie zurückzugewinnen.
Gabriel bevorzugt einen anderen Weg. Ausbaden muss er es ja auch nicht, sondern die Genossen vor Ort, die nun erklären müssen, dass ihre eigenen Beschlüsse nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Sigmar Gabriel kann das herzlich egal sein. Auch wenn seine Partei noch ein wenig an Zustimmung verliert, dürfte Mutti an ihm als Partner in der nächsten GroKo kaum vorbeikommen.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.