Am Sonntag ist Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Quasi mitten im Sommerloch. Die Prognosen deuten auf eine schwächelnde SPD hin (minus 8 Prozent) und eine AfD, die sich anschickt, aus dem Stand die CDU als Nummer zwei im Land abzulösen. Da jubeln die Anhänger. Endlich bekommt Kanzlerin Merkel den fälligen Denkzettel verpasst. Vielleicht schafft es die Partei aber auch auf Platz eins und müsste dann zu Koalitionsgesprächen einladen. Nur wen soll sie fragen? Die CDU von Angela Merkel vielleicht?
Es denen da oben mal zeigen, könnte damit auch nach hinten losgehen, wenn die AfD plötzlich mitregieren muss. Deshalb will sie das auch eigentlich nicht. Ihr Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern sagte kürzlich: „Wir werden in der Opposition landen.“ Denn nur in dieser Rolle lässt sich die eigene Opferhaltung weiter pflegen und Kritik an den „Altparteien“ formulieren. In Regierungsverantwortung aber könnte möglicherweise rasch deutlich werden, wie altbacken und neoliberal die AfD doch selbst gestrickt ist.
Zentrales Thema ist daher auch die Zuwanderung. Sie ist aus Sicht der Partei strikt oder mit Ausnahmen abzulehnen, dabei könnte das dünn besiedelte Land (dank leichter Zuwanderung übrigens wieder über 1,6 Millionen Einwohner in diesem Jahr) durchaus mehr Menschen vertragen. Laut AfD Wahlprogramm sollen aber mehr Kinder her, von Einheimischen, versteht sich. Allerdings sieht es in MeckPomm so aus, dass die größten Bevölkerungsgruppen die 40 bis 50-Jährigen stellen, dicht gefolgt von den 60 bis 70-Jährigen. MeckPomm hat von allen Bundesländern den höchsten Anteil pflegebedürftiger Menschen.
Ob diese Teile der Bevölkerung von der Aussicht auf Familiendarlehen, Wahlfreiheit und verlängertem Elterngeld verzückt, noch einmal in die Federn hüpfen werden, um mindestens drei Nachkommen zu zeugen, dürfte fraglich sein. Falls doch würde das von der AfD favorisierte traditionelle Familienmodel doch ganz anders als gedacht mit Leben gefüllt. Und die jungen Leute? Die gehen mehrheitlich gar nicht zur Wahl. Auch dieses Mal vermutlich nicht.
Von der GroKo Leiche ablenken
Aber Demokratie ist, auch komische Positionen, die mit dem gesunden Menschenverstand im Konflikt stehen, gut zu finden und mit einer Mehrheit zu versehen. Ist es daher schlimm, wenn die AfD ganz viele Stimmen bekommt oder sogar stärkste Kraft im Nordosten wird? Nein. Die anderen Parteien spekulieren wahrscheinlich sogar darauf, um sich im heraufziehenden Bundestagswahlkampf mit dem Slogan „AfD verhindern“ als (r)echte Retter des Abendlandes in Szene setzen können. Das hat den Vorteil, sich mit dem jämmerlichen Ergebnis der vor fast drei Jahren noch einmal wiederbelebten GroKo-Leiche nicht weiter beschäftigen zu müssen.
Wer vor dem drohenden Unheil AfD warnt, will über Politik nicht reden. Was hat eigentlich die SPD als Partei, die den Ministerpräsidenten in MeckPomm stellt, bislang erreicht? Wenn Ihnen etwas einfällt, bitte in die folgende Lücke auf ihrem Bildschirm eintragen: ________________ Auch in MeckPomm regiert seit 2006 die Große Koalition. Und was macht man in so einer Zweckehe? Eine unsinnige Schuldenbremse in die Verfassung schreiben und ordentlich Personal abbauen. Was man halt so macht unter dem Stichwort „Zukunft aus eigener Kraft“. So lautet die Überschrift des letzten Koalitionsvertrages zwischen SPD und CDU.
Das nützt den Menschen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen sind, nur herzlich wenig. Wie im August bekannt wurde, gab es im Jahr 2015 mit 30.832 sogar mehr Langzeitarbeitslose als zu Beginn der Wahlperiode 2011 mit 29.953. Doch einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, der den Menschen tatsächlich helfen würde, statt sie in 1-Euro-Jobs oder Jobcenter-Maßnahmen hin und her zu parken, lehnt die Regierung in Schwerin weiterhin ab. GroKo ist halt die Verwaltung eines Minimalkonsenses zum Wohle des Koalitionsfriedens und nicht zum Wohle der Menschen.
Das alles hilft natürlich der AfD. Die spielt im Konzert der Neoliberalen mit, nimmt ihre Rolle ein und macht auf Opposition gegen die „Altparteien“, obwohl sie in Wirklichkeit ein Teil dieser ist. Das Ergebnis ist dann ein Schaukampf auf erbärmlich niedrigem Niveau und mit Absätzen wie diesen:
Das Schengen-Abkommen ist auszusetzen, da die Außengrenzen der EU nicht zuverlässig gesichert werden und es dadurch zu massenhaften illegalen Einreisen kommt. Nationale Grenzkontrollen sind deshalb unumgänglich. Asylsuchende aus sicheren Drittstaaten sind entsprechend den rechtlichen Regelungen abzuweisen.
Ein Beispiel für Schizophrenie: Die Aussetzung des einen Rechtes fordern, um im Gegenzug auf die Einhaltung eines anderen Rechtes zu pochen. Das nennt man auch Willkür und unterscheidet sich nicht im Geringsten von dem, was Merkel im Sommer letzten Jahres tat. Insofern passen beide, die AfD in Gestalt von wem auch immer und die Kanzlerin politisch ganz gut zusammen.
Mehr Informationen zur Landtagswahl gibt es hier
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.