Nach der gestrigen Bundespressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel herrschte zunächst Ratlosigkeit bei den Hauptstadtjournalisten vor, welche Schlagzeile man denn nun produzieren solle. An der Regierungschefin prallten wie üblich alle Fragen ab, sofern sie denn klar formuliert worden waren und nicht wie üblich als gebündelte, meist schwer zu verstehende, Paketsendung zugestellt wurden. Sie wich aus und lullte die Runde mit ihren nichtssagenden Sprechblasen ein. Als Schlagzeile hätte man da eigentlich nur schreiben können, Merkel bricht ihren Urlaub ab und ansonsten fühle sie sich nicht „unterausgelastet“ (Das Programm sagt Rechtschreibfehler). Doch in Wirklichkeit zieht sie die Zügel weiter an.
Denn ihr vorab eingereichter Neun-Punkte-Plan gegen den Terror hat es in sich. Merkel nutzt die Zeit der allgemeinen Verunsicherung, um bedenkliche Vorschläge durchzudrücken. So soll es zunächst eine engere Kooperation mit den US-Geheimdiensten geben. Damit ist die NSA Affäre auch für Merkel offiziell beendet. Ausspionieren unter Freunden und der eigenen Bevölkerung geht jetzt auf jeden Fall, da die Gesetze so geändert worden sind, dass nun legal ist, was bisher illegal war. Ganz einfach. Und damit sind die Grundrechte aus Merkels Sicht dann auch gewahrt. Nachfrage zwecklos.
Im Innern
Dazu kommt die inzwischen als Selbstverständlichkeit vorgetragene Kooperation zwischen Polizei und Militär. Klingt doch vernünftig, wenn beide zusammen mal den Ernstfall üben. Das lässt sich dann auch besser verkaufen, als direkt davon zu sprechen, die Bundeswehr im Innern einzusetzen, was laut Grundgesetz und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nun einmal verboten ist. Die Soldaten dürfen nur dann ausnahmsweise ausrücken, wenn eine „Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes besteht. Schließlich muss der Unglücksfall bereits vorliegen. Dies setzt zwar nicht notwendigerweise einen bereits eingetretenen Schaden voraus. Der Unglücksverlauf muss aber bereits begonnen haben und der Eintritt eines katastrophalen Schadens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstehen.“
Diese Grundbedingung hat keiner der jüngsten Attentate/Terrorakte/Amokläufe auch nur annähernd erfüllt, auch wenn das mobilisierte Polizeiaufgebot in München und der verhängte Ausnahmezustand etwas anderes vermuten ließen. Die Bundeswehr als Ersatzpolizei ist denkbar ungeeignet und wird nur deshalb immer wieder ins Gespräch gebracht, damit man über Stellenstreichungen und Kürzungen bei der zuständigen Polizei nicht weiter diskutieren muss. Umzukehren, was seit Jahren kaputt gespart worden ist, ist ohnehin erstens sehr schwierig und zweitens auch gar nicht gewollt.
Denn die Logik der schwarzen Haushaltsnullen verbietet eine Anhebung des Etats, der für die Erledigung öffentlicher Aufgaben bereitgestellt wird. Das sei ja alles schon viel zu üppig budgetiert, lernen wir immer dann, wenn es um die Frage geht, wie groß der öffentliche Dienst und wie hoch die Bezahlung der dort Beschäftigten zu sein hat. Beim Militär hingegen werden die Ausgaben auf Grundlage der Wiedereinführung des Feindbilddenkens weiter forciert. Das aktuelle Weißbuch gibt eine neue Aufrüstungsspirale vor, die bei knapp 60 Milliarden Euro enden könnte, wenn man die Vorgaben der NATO zu erfüllen gedenkt und bis zu zwei Prozent des BIP für militärische Zwecke verwenden will. Das entspräche dann einer Verdopplung der bisherigen Ausgaben, die mit dem Zusatz Verteidigung eindeutig falsch beschrieben sind.
Der Plan ist der Alte
Denn die Zeichen stehen ja auf Angriff, obwohl ein Beratungsunternehmen jüngst erst herausgefunden hatte, dass es bei über 140 Rüstungsprojekten der Bundeswehr Probleme und Risiken gibt. Milliarden für die Tonne, könnte man da auch sagen, weshalb freilich noch mehr Geld benötigt wird, um die Mängel wieder abzustellen. Wer da allerdings an Schadensbegrenzung denkt, hat auch einen. Deutschland soll ja weltweit militärische Verantwortung übernehmen, wird immer wieder gesagt, aber eine Bilanz der bisherigen Einsätze, etwa im Kampf gegen den Terror, wird konsequent verweigert. Dabei müsste die Chefin einer Armee des Parlamentes diesem erst einmal Rechenschaft darüber ablegen, welche Missionen bereits gewesen und warum sie allesamt gescheitert sind, bevor sie nach weiteren Geldern verlangt, um damit neue Aufgaben zu übernehmen, mit Gerät, das nicht zur Verfügung steht.
Im Vergleich dazu wird an anderer Stelle um jeden Euro gerungen. So hat es zu Beginn des Jahres eine heftige Debatte innerhalb der Koalition über ein sogenanntes Sozialpaket gegeben, dessen Mittel für Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt ausgegeben werden sollen. Nach dem üblichen Austausch von Nettigkeiten (erbarmungswürdig) soll es im kommenden Haushalt zusätzliche Mittel für Wohnungsbau (+0,8 Mrd. €), für Arbeitsmarkt, Integration und Rente (+1,1 Mrd. €) sowie für familienpolitische Maßnahmen (0,45 Mrd. €) geben. Für die innere Sicherheit, also Stärkung der Sicherheitsbehörden sowie die Bundespolizei sind Mehrausgaben von 2,1 Mrd. € bis 2020 eingeplant. Der Verteidigungsetat soll hingegen um satte 10,2 Mrd. € aufgestockt werden. Da sieht man gleich die Prioritäten.
Es stimmt also nicht, dass Merkel keinen Plan hätte. Ihr Plan bleibt nur der Alte. Das „Weiter so“ predigen, aber unter verschärften Bedingungen, in der Hoffnung, Koalitionspartner und die Menschen da draußen noch einmal beruhigen zu können. Klappt aber nur mit den Insassen der Bundespressekonferenz. Außerhalb wird der Ton zusehends rauer und die Kanzlerin selbst zur Zielscheibe aufkommenden Hasses. Die Folgen von Krieg, dessen Unterstützung Merkel einfach leugnet, aber auch die Folgen des kaputt geschlagenen Sozialstaates treten immer deutlicher zutage. Mit den bekannten Floskeln „Wir schaffen das“ und „Deutschland geht es gut“ wird die Realitätsverweigerung ganz bewusst fortgesetzt, damit der Nährboden für weitere gesellschaftliche Spannungen bereitet und sich selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt. Nachfrage zwecklos.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.