Was war das doch für eine Topmeldung, als das Medienportal kress.de eine Geschichte des neuen wie arschteuren Bezahlablegers kress pro während der Fußball EM noch einmal hochzug, in der behauptet wurde, die Fußballexperten Scholl und Kahn würden pro Jahr ein Millionenhonorar für ihre Dienste bei ARD und ZDF kassieren. Nun ist klar, die kolportierten Zahlen waren falsch.
Unter einer neuen Schlagzeile „ARD: Netzers geheime Super-Honorare“ räumt kress.de Chefredakteur Bülend Ürük nun ein:
Bereits Ende Juni hatte die „kress“-Berichterstattung eine Debatte über die Honorare der öffentlich-rechtlichen Fußballexperten ausgelöst. In der Folge hatte „Bild“ berichtet, dass ARD-Experte Mehmet Scholl bis zu 800.000 Euro pro Jahr verdienen soll. Die ARD dementierte diese Zahl nicht. „kress pro“ hatte über ein doppelt so hohes Honorar berichtet. Womöglich, weil die Quellen über die Vertragslaufzeit im Unklaren waren, korrigierte „kress pro“ in seiner aktuellen Ausgabe.
Für 25 Euro im Einzelkauf können Sie nun also die Korrektur einer Geschichte lesen, die auf zweifelhaften Quellen fußte. Statt seinen Kunden eine Erstattung für vorgetäuschte Premiuminhalte anzubieten, wirbt kress.de allerdings weiter für ein Abo des angeblich professionell arbeitenden kress pro. Dabei ist das Magazin an seinem eigenen Anspruch, einen ausgeruhten wie entschleunigten Blick auf die Branche zu werfen, bereits gescheitert.
Wie bei anderen auch zählt nur die Schlagzeile, ob sie nun zutreffend ist oder nicht. Und weil keiner mehr mit den Leuten von kress pro spricht, werden munter weitere Behauptungen nach dem Schema „stimmts oder stimmts nicht“ in die Welt gesetzt. Vielleicht ist ja ein Zufallstreffer dabei, denn auch bei der aktuellen Geschichte über die Honorare von Netzer und Delling haben nicht die Redakteure von kress in einen vertraulichen Bericht des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz hinein geschaut, sondern die nicht näher bestimmten ARD Quellen. Na dann stehen die Chancen ja wieder gut, auch im nächsten kress pro Heft eine Korrektur lesen zu müssen.
Unabhängig davon ist es natürlich vollkommen legitim über die Honorare von Experten zu diskutieren, aber nicht, weil sie Gelder der Gebührenzahler absahnen, sondern weil sie sich als Experten ausgeben, obwohl sie über den Fußball oder das jeweilige Spiel kaum etwas Sinnvolles erzählen können und stattdessen in einen Gehirnschluckauf verfallen, wie Mehmet Scholl nach seiner Attacke auf Urs Siegenthaler und nochmaligem Quellenstudium einräumte. Der Spruch war ungut, aber die Analyse bleibt, schob er dennoch trotzig hinterher, obwohl Joachim Löw die taktische Lösung im Spiel gegen Italien auch für Laien verständlich erklärte. Da muss man sich schon fragen, ob man nicht auf den ein oder anderen wie auch immer bezahlten Experten im Fernsehen verzichten kann.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.