Mehr Ehrerbietung bitte

Geschrieben von: am 22. Apr 2016 um 19:53

Der Bundespräsident macht sich Gedanken über den richtigen Umgang mit Staatsoberhäuptern. Da heißt es im Vorgriff auf ein Interview mit dem Deutschlandfunk am Wochenende im Neuen Deutschland etwas provozierend, dass Gauck so verehrt werden möchte, wie ein König.

Es geht mehr um den Respekt, den man einander in der Demokratie schuldig sei. Nur dann muss man sich noch einmal in Erinnerung rufen, wie Gauck einst ins Amt geschachert wurde.

Er ist zunächst einmal der Nachfolger eines zurückgetretenen Präsidenten, dem ein würdevoller Anruf beim Bild-Chefredakteur sowie ein Bobby-Car zum Verhängnis wurde. Gaucks Vorgänger war wiederum der Nachfolger eines weiteren zurückgetretenen Präsidenten, der nur aus Respekt vor der politischen Kultur dieses Landes so handelte, wie er es tat und Schaden vom Amt abwenden wollte.

Der politischen Kultur und dem Ansehen des Amtes zum Durchbruch verhalf schließlich Philipp Rösler, der als damaliger FDP Chef den heutigen Bundespräsidenten durchsetzte, mit der Absicht, Kanzlerin Merkel eine Gallenkolik zu bescheren. Denn die wollte Gauck nicht, lenkte dann aber ein, als sie merkte, dass sie der Frosch im kalten Wasser war, wie Rösler stolz hinterher verkündete.

Legendär war dann auch die gemeinsame Pressekonferenz der Parteichefs mit dem nach eigener Aussage ungewaschenen Kandidaten, den man eilig hat einfliegen lassen, um der Öffentlichkeit eine Erklärung des vorangegangenen Koalitionskrachs zu ersparen. Stattdessen präsentierte man in großer Einigkeit das künftige Staatsoberhaupt, von dem man, den Worten der Kanzlerin folgend, angeblich noch viel über Demokratie lernen könne.

Als Gauck sich dann allerdings überwältigt und verwirrt zugleich gab, hätte man sich gewünscht, dass es statt dieser kuriosen Krönungsfeier aus einer aktuellen Erregung heraus besser eine längere Phase des Nachdenkens und der Abwägung gegeben hätte. So aber präsidiert heute in Schloss Bellevue ein Mann, der überlegt, noch eine Amtszeit dranzuhängen. Und keinen interessiert es.

„Das würde uns viele Probleme ersparen“

Die Parteien, die ihn einst unterstützten, würden es auch wieder tun. Doch viel Begeisterung ist nicht zu spüren. So würde es sich Horst Seehofer lediglich wünschen, wenn Gauck weiterhin zur Verfügung stünde. Wenn nicht, ist es ihm wohl auch egal. Zu einer Schlagzeile, wie: „Horst Seehofer will zu Guttenberg zurück“, reicht der Wunsch des CSU-Chefs allein jedenfalls nicht.

Sigmar Gabriel will Gauck zum Weitermachen ermuntert haben, auch nicht gerade eine prickelnde Liebeserklärung und die Kanzlerin würde eine zweite Amtszeit befürworten, wenn es richtig ist, was man so hört. Denn Merkel spricht nur selten selbst, sondern lässt ausrichten: „Das würde uns viele Probleme ersparen.“

Ja, so eine Präsidentenfindung ist anstrengend, mitunter peinlich und vor einer Bundestagswahl so überflüssig wie ein Kropf. Bei den Grünen hatte sich wohl deshalb nur eine der beiden Spitzen mit den Worten gemeldet: „Wir Grüne haben ihn beim ersten Mal unterstützt. Wir werden es wieder tun.“ Das klingt ein wenig trotzig, so als ob man ein schlechtes Gewissen übertönen möchte.

Vielleicht, weil Gauck doch nicht der Repräsentant aller ist, wie er vorgibt zu sein. Denn wer über den Respekt gegenüber Amtsträgern in einer Demokratie spricht, sollte Proteste von Bürgern nicht unsäglich albern finden. Doch das Volk jubelt ihm angeblich mehrheitlich zu. Das kann es wohl, nur hat es nichts zu sagen, wenn am 12. Februar 2017 die Bundesversammlung zur Wahl des Königs Staatsoberhaupts Grußonkels zusammenkommt.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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