In dieser Woche haben ARD und ZDF mal wieder die Beliebtheit von Politikern gemessen und festgestellt, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hohe Zustimmungswerte genießt. Und das, obwohl seine Sprecher keine Lust haben, auf Fragen in der Bundespressekonferenz zu antworten und sein Ministerium selbst, wie heute gemeldet wird, keinen Wert darauf legt, mit Informanten über das Thema Steueroasen ins Gespräch zu kommen. Damit ist für Whistleblower seit dieser Woche klar, brisante Daten sollten weder Medienkonzernen noch Finanzministern angeboten werden, sondern ausschließlich Enthüllungsplattformen wie Wikileaks.
„Wieso tut die Bundesregierung eigentlich nichts gegen Briefkastenfirmen in Panama? […] Weil die Bundesdruckerei selber welche betreibt! Und dann kommt da ein Whistleblower mit Details, da musste der Schäuble sich ganz schön anstrengen, um den all die Jahre wegzuignorieren“, schreibt Fefe in seinem Blog.
Aber diese Enthüllung, sofern sie denn zutreffen sollte, dürfte kaum Auswirkungen auf die Beliebtheit des Bundesfinanzministers haben, der mit seiner „Schwarzen Null“ fest im Sattel sitzt. Steuerhinterziehung? Das Thema ist einfach nicht sexy genug, um im Gedächtnis zu bleiben, was die kurzen Abstände, die zwischen Offshore-Leaks, Swiss-Leaks, Lux-Leaks und jetzt Panama-Papers liegen, beweisen.
Zwar beklagen gut zwei Drittel (69 Prozent) der Deutschen, dass nicht genug gegen Steuerhinterziehung getan werde, doch ein breiter Protest vor den Villen der Reichen ist nicht in Sicht. Dabei liegt Deutschland laut Schattenindex des Tax Justice Network auf Platz acht und damit noch vor Panama, das es in dieser Woche als Steueroase in die Schlagzeilen schaffte.
Natürlich fällt die Bundesrepublik nicht durch Briefkästen auf, wohl aber dadurch, dass Vermögensbestände weitgehend unbehelligt bleiben. Wie die Macher der Anstalt am Dienstag hervorragend herausarbeiteten, wollen Politik und Behörden gar nicht wissen, wie viel Reichtum es in Deutschland gibt, wohingegen die Armut exzellent und nicht zuletzt durch die Jobcenter in dicken Akten ganz genau erfasst wird.
Schätzungen zufolge, „sind hierzulande bis zu drei Billionen Euro internationaler Gelder steuerfrei investiert. Grund dafür ist, dass Ausländer auf Zinsen, die sie auf deutschen Konten vereinnahmen, keine Steuern zahlen müssen. Die Finanzämter in den Herkunftsländern erfahren von diesen steuerfreien Gewinnen in der Regel nichts.“
Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Hinzu kommt, dass auf die notwendige Anzahl Steuerfahnder verzichtet wird, obwohl erwiesen ist, dass die dem Fiskus mehr Geld einbringen als sie kosten. Offene Stellen bleiben also unbesetzt und diejenigen Fahnder, die dennoch genau hinschauen und einen ordentlichen Job erledigen, werden kurzerhand für verrückt erklärt und aus dem Dienst entfernt. Und da jedes Bundesland seine eigene Finanzverwaltung betreibt, gilt der erfolgreiche Steuerfahnder als Standortnachteil.
Das ist eine Art Wirtschaftsförderung durch Beihilfe zur Steuerhinterziehung, die auch bei den ganz großen Unternehmen greift. Wie Konzerne uns bestehlen, kann übrigens in einer Broschüre nachgelesen werden, die die Linke im Europaparlament unter dem Titel Lux Leaks: Von Oasen und Briefkästen bereits im November letzten Jahres zusammengestellt hat. Denn das Problem ist nicht neu. In regelmäßigen Abständen wird durch Whistleblower auf die Steuervermeidungspraxis aufmerksam gemacht. Doch geändert hat sich seitdem nichts.
Vielmehr wird ein Kampf gegen Steuerhinterziehung nur vorgetäuscht, mit Gesetzen, die zwar öffentlich gefeiert werden, aber weitestgehend wirkungslos sind. Gleichzeitig wird auf die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit verwiesen, um konkrete Schritte im nationalen Rahmen nicht gehen zu müssen. Dabei besteht diese übergreifende Zusammenarbeit schon längst. Und zwar beim Schutz von Vermögen und Steueroasen, die eine neoliberale Politik des Kahlschlags in den Mutterstaaten erst ermöglichen.
Und dafür wird wiederum ein Wolfgang Schäuble so gemocht. Natürlich nennt er den Kahlschlag nicht so, sondern verkauft ihn als solide Haushaltspolitik. Sein Auge auf die Finanzen sowie sein unnachgiebiger Kurs im Fall Griechenland bescheren ihm hohe Sympathiewerte. Dabei ist Sparfuchs Schäuble nur ein Blender. Sein mit der SPD zusammen gezimmerter Haushalt für 2017 zeigt zwar keine neuen Schulden an, dafür fällt der Kassensturz nach der Wahl schon heute sehr ernüchternd aus.
Kollektiver Betrug
Das Stichwort lautet „globale Minderausgabe“ oder auf deutsch „Haushaltsloch“, das immer dann ganz plötzlich auftaucht, wenn eine neue Legislaturperiode beginnt. Diese Löcher müssen natürlich entstehen, wenn der Staat freiwillig auf Einnahmen verzichtet oder notwendige Investitionen zum Beispiel in die marode Infrastruktur unterlässt, was am Ende, wenn gar nichts mehr über die kaputte Brücke geht, immer noch teurer wird. Mit der schwarzen Null wird künftigen Generationen also nicht geholfen, sie wird vielmehr betrogen.
In Griechenland hat der von Schäuble zur unverhandelbaren Bedingung erklärte Sparkurs noch sichtbarer in die Katastrophe geführt. „Die Wirtschaft am Boden, Menschen leben auf der Straße. Von den jungen Leuten hat kaum noch einer einen bezahlten Job. Niemand hier hat von den internationalen Programmen auch nur einen Cent gesehen. Wo soll da Wachstum herkommen“, fragte die Sendung plusminus kürzlich. Vor einer Woche kam dann ein Gesprächsprotokoll des IWF an die Öffentlichkeit, das im Grunde ein abermaliges Scheitern des im letzten Juli vereinbarten Rettungsprogramms bestätigt.
An diesem Samstag ist die Troika nun schon wieder in Athen bei der griechischen Regierung zu Gast. Dabei ist es eigentlich umgekehrt. Die griechische Regierung ist Gast bei der Troika in Athen. Denn die Beamten der drei Institutionen bestimmen, wo es langgeht etwa beim Ausverkauf des Landes. Doch wie bei den unzähligen Treffen zuvor, erwecken die Gläubiger den Eindruck, dass Griechenland nicht nach den vereinbarten Regeln spiele und bei den Reformbemühungen nachlasse.
Zum Beispiel wird kritisiert, dass die zugesagten Erlöse aus der Privatisierung weit unter der vereinbarten Zielmarke von 50 Mrd. Euro liegen, obwohl eigentlich jedem klar sein müsste, dass Notverkäufe zwangsläufig zu niedrigeren Preisen führen. Ein Anruf bei der Fraport, die 14 griechische Flughäfen mit dem größten Potenzial zum Schnäppchenpreis übernahm, genügt. Trotzdem sorgt der Spin von den schludrigen Griechen dafür, dass die Beliebtheit des deutschen Finanzministers weiter steigt, obwohl er es ist, der keinerlei Kompromissbereitschaft zeigt.
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.