Landtagswahlen in drei Bundesländern und selten waren viele so beunruhigt über den Ausgang eines an sich demokratischen Vorgangs. In den sozialen Netzwerken standen zuhauf Aufrufe, doch bitte wählen zu gehen. Das taten die Menschen dann auch. Bei allen drei Urnengängen hat es eine Zunahme der Wahlbeteiligung gegeben. Das finden die einen gut, die anderen wiederum beängstigend. Sie hatten davor gewarnt, sich bloß nicht zu verwählen. Als ob das nicht schon seit Jahren geschieht.
Aber der Punkt ist wohl: Wer seit Jahren linke Mehrheiten in den Parlamenten ignoriert oder ausschließt. Wer stattdessen lieber Große Koalitionen bildet, um neoliberale Politik aus einem Guss zu machen, muss sich am Ende nicht wundern, dass es nicht mal mehr zur fast immer sicheren Großen Koalition reicht. Die regierte in Sachsen-Anhalt zuletzt auch nicht. Doch nun ist sie endgültig passé und das ist schon bemerkenswert und ein weiteres Desaster vor allem für die SPD, die noch einmal über 10 Prozent verlor.
Ohne Haltung weitermachen
Die Option der bisherigen Großen Koalition ist auch in Baden-Württemberg keine mehr, sie könnte ersetzt werden durch eine neue Große Koalition aus Grünen und CDU. In Rheinland-Pfalz hätte die Große Koalition noch immer jene satte Mehrheit, die man bisher kannte, nur wäre dieser Zusammenschluss wohl die schlechteste aller Alternativen, wie die Wahlergebnisse der anderen Länder zeigen.
Die etablierten Parteien üben sich in den üblichen Sprechblasen. Diese Regierung wurde abgewählt, der Regierungschef hier und die Amtsinhaberin dort hingegen bestätigt. Es wird wie immer beschönigt und vertröstet, erst einmal abwarten zu wollen, was der Wähler mit seinem Votum wohl gemeint haben könnte. Die Geschlagenen sagen aber, sie müssten die Menschen jetzt wirklich abholen von dort, wo sie sind und noch mehr ansprechen, indem sie allerdings so weitermachen wollen wie bisher.
Die AfD hat auch deshalb die erwarteten Ergebnisse erreicht und sogar noch übertroffen. Sie ist auch dafür verantwortlich, dass die Wahlbeteiligung stieg, da hat die Frauke Petry recht. Damit müssen alle anderen nun umgehen und sich fragen lassen, ob der Wettbewerb um die härteste Formulierung in der Asylpolitik oder ein Lavieren nach allen Seiten richtige Strategien gewesen sind. Die Volksparteien haben nicht nur an Zustimmung verloren, sondern auch den letzten Rest einer Haltung an den politischen Nagel gehängt.
Klassenkampf im Armenhaus
Es hat ja wenig Sinn auf das reaktionäre Programm der AfD zu verweisen ohne ein Wort über die bislang abgelieferte Politik der etablierten Parteien zu verlieren, die von Legislaturperiode zu Legislaturperiode mal in der einen und mal in der anderen Konstellation die Regierung bildeten. Haben die es etwa so gut gemacht, dass es der Mehrheit der Bevölkerung eine Verbesserung ihrer Lebenssituation einbrachte? Hat es die Lösungen gegeben, die immer nur behauptet werden. Als Antwort darauf sagen alle immer dasselbe. Politik ist halt schwer und könne keine einfachen Antworten liefern.
Das ist im Prinzip eine Variation der sprichwörtlichen Alternativlosigkeit, die sich aus irgendeinem Sachzwang heraus ergibt. Den müsse man nur immer wieder und noch besser erklären, so die Lösung aller Lösungen. In Wirklichkeit aber ist es eine als Glaubenslehre präsentierte Politik, die sich dem Willen der Wähler mit Verweis auf Dogmen fortwährend verweigert und den Menschen im Grunde klar macht, dass sie gar keine Wahl mehr haben. Als Franz Müntefering einst sagte, man dürfe Parteien nicht daran messen, was sie im Wahlkampf versprochen haben, ist das ja schon deutlich geworden.
Warum sollten Menschen also weiter Parteien wählen, die nur vorgeben, sich voneinander zu unterscheiden, um dann doch gemeinsam mit den immer gleichen Rezepten gegen die Interessen der Bürger zu regieren? Die Menschen sind besorgt, noch mehr zu verlieren. Aber sie richten ihren Frust nicht gegen diejenigen in der Gesellschaft, die genug haben, um davon etwas abgeben zu können, sondern wählen Parteien, die den Abstand wahren und sogar die Schere zwischen arm und reich noch weiter öffnen wollen. Das ist eigentlich verwunderlich und auch die Ironie dieses Sonntags.
MRZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.