Auf dem G20 Gipfel lenkt Schäuble mal wieder ab, in dem er sich mit Sigmar Gabriels Forderung nach einem Sozialpaket befasst. Über eine Wutrede des Finanzministers wird berichtet. Die deutschen Medien beschäftigen sich natürlich umgehend damit, statt vom Gegenwind zu erzählen, der Schäuble mit seiner gescheiterten Sparpolitik ins Gesicht weht. Denn mit dem Rohrkrepierer Schwarze Null steht er im Kreise der G20 mutterseelenallein da.
Die Weltwirtschaft lahmt, die Zentralbanken haben ihr Pulver verschossen, eine neue Finanzkrise wird befürchtet. Und Schäuble? Der meint, einfach so weitermachen zu können wie bisher und alles würde gut. Wenn nur alle so solide haushalten würden, wie die Deutschen, ginge es auch allen besser, so die stoische Annahme des selbsternannten Musterschülers. Heißt: Strukturreformen angehen, Löhne senken und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, um schließlich neues Wachstum zu generieren.
Logik
Nur funktioniert das eben nicht. Es können nicht alle gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Denn was einer hinzugewinnt, muss ein anderer verlieren. Das haben auch alle bis auf Schäuble und die deutsche Öffentlichkeit verstanden. Selbst die Chefin des internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, wollte auf dem G20-Treffen in Shanghai über Konjunkturprogramme reden. Impulse brauche es eben auch von der Nachfrageseite. Die Antwort aus Deutschland dazu: „Das schuldenfinanzierte Wachstumsmodell ist an seine Grenzen gestoßen.“ Noch mehr Schulden verursachten neue Probleme und Blasen.
Das ist aber interessant, rechnet doch gerade Deutschland laut aktuellem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung mit einer weiteren Zunahme der Verschuldung des Auslands. Der Außenbeitrag wird für dieses Jahr auf 238,1 Milliarden Euro geschätzt.
Das ist auch vollkommen logisch, wenn man bedenkt, dass die privaten Haushalte, die Unternehmen und Finanzminister Schäuble nur eines im Sinn haben. Nämlich sparen. Nur wenn aber drei Sektoren der Wirtschaft versuchen, ihre Vermögensposition zu verbessern, muss es auf der anderen Seite jemanden geben, der sich dafür eben verschuldet.
Um diese simple Saldenmechanik kommt auch ein deutscher Finanzminister nicht herum. Er darf aber trotzdem weiter so tun, als fuße das mickrige Wachstum der deutschen Volkswirtschaft gerade nicht auf der massiven Verschuldung des Auslands.
Verelendung
Konjunkturprogramme will Kassenwart Schäuble nicht. Was will er dann und wäre es erfolgreich? Er will das, was seiner Meinung nach so wunderbar in Europa geklappt hat. Haushalte konsolidieren bis die Schwarte oder eben die Wirtschaft weiter zusammen kracht. Die Länder im Süden können ein Lied davon singen, oder sollte man klagen sagen. Das Ergebnis der Politik zur Bewältigung der Eurokrise ist ein Desaster. Rekordarbeitslosigkeit und Menschen, deren Existenz nicht nur bedroht, sondern zunehmend beseitigt wird.
All das ganze Elend nimmt der deutsche Finanzminister billigend in Kauf, besteht sogar noch unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise auf der Einhaltung von Vereinbarungen, die die Wirtschaft und die Menschen nur noch weiter strangulieren. Der G20-Gipfel hat eben keine Einigkeit bei der Frage von Strukturreformen gebracht, wie die deutschen Medien ihren Lesern weismachen wollen. Denn jeder versteht unter Reformen etwas anderes.
Ausgeblendet
Es war vielmehr so, dass der unflexible deutsche Finanzminister von Anfang an den Ton angab, um über seine Minderheitenrolle lautstark und vor allem arrogant hinwegzureden, während die anderen wiederum durchblicken ließen, mehr für die wirtschaftliche Stimulation tun zu wollen. Aber der Schlüssel liege eben bei Deutschland, das enorme fiskalpolitische Spielräume durch Handelsbilanzüberschüsse aufweise und sich zudem zu niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt refinanzieren könne.
Frankreich sieht das so, die USA, die OECD und viele andere auch. Nur Schäuble winkt ab und wird sich dafür von der deutschen Presse wieder als standhafter Kassenwart feiern lassen, der en passant noch Ohrfeigen an seinen Regierungskollegen Gabriel verteilt, weil der es gewagt hatte, das Festhalten an der Schwarzen Null zaghaft infrage zu stellen und öffentliche Investitionen zum Beispiel für sozialen Wohnungsbau zu fordern (ob ernst gemeint oder nicht, spielt keine Rolle). Im Prinzip also genau das, was die Mehrheit der G20 von Deutschland verlangt.
Doch dem deutschen Blätterwald gefällt natürlich der Streit zwischen zwei Ministern mehr, als das Nachdenken über die Sache und die Frage, was notwendig ist, um die Weltwirtschaft wieder in Gang zu bringen. Natürlich spielt dann auch das Thema Brexit eine Rolle. Wenn aber gesagt wird, dass ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der EU ein Risiko für die Weltwirtschaft bedeute, wird auf der anderen Seite wiederum verdeckt, dass vor allem Deutschland mit seinem bornierten Finanzminister ein fortwährendes Risiko für die Weltwirtschaft darstellt.
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.