Was ist die Aufregung groß. Der erste Fall des Jahres scheint für einige Leser dieses Blogs doch noch nicht oder falsch gelöst worden zu sein. Ein paar Zuschriften erreichten mich. In der letzten stand unter anderem:
„Jetzt aber kommt Afghanistan zu mir und islamische Regeln und rechtsdurchsetzungsfreie Zonen an irgendwelchen ehemals deutschen Hauptbahnhöfen oder in der Hamburger Innenstadt. Ein mutiger Bekannter von mir wollte eine fremde Frau durch deren Ehemann nicht so herzzerreißend schmerzhaft zusammengeschlagen mitansehen müssen. Sein Versuch endete im selber Zusammengeschlagensein. Eine Merkel-Politik der Gesetzesbrüche öffnet kommendem Unrecht, Parallelgesellschaften, Scharia-Zonen, (deutschen) rechtsdurchsetzungsfreien Zonen, Tür und Tor.“
Tragisch ist beides. Die körperliche Gewalt und die geistige Kurzschlussreaktion. Ein anderer schreibt:
„na ja, über 90 Strafanzeigen allein in Köln darf man aber schon mal nachdenken, oder? Und die die Aufregung kommt deshalb erst 5 Tage später, weil es der Presse erst heute beliebte, darüber zu berichten! Wohl weil die Sache einfach nicht mehr zu unterdrücken war?“
Es wird vermutlich noch mehr Anzeigen geben, nachdem die Sache ein großes Thema geworden ist. Die Ermittlungen werden zeigen, was daraus wird. Nur das spielt schon gar keine Rolle mehr, weil das Urteil für einige schon längst festzustehen scheint. Darüber denke ich immer wieder nach, wenn nach dem Rechtsstaat gerufen wird. Dass die Presse zu spät berichtete, hat wohl weniger mit Unterdrückung, als mehr mit schlechter Quellenlage (die Polizei sprach ja zunächst von einer „entspannten“ Lage) und dünner Personalausstattung rund um den Jahreswechsel zu tun. Das kann man natürlich kritisieren, betrifft aber eine ganz andere Ebene. Im übrigen sind die Kommentarspalten der Zeitungen heute voll mit dem Thema.
Erstaunlich ist mal wieder, dass diejenigen, die einerseits immer gleich Lügenpresse rufen, ihnen passende Informationen besonders wohlwollend bewerten. Also: Wenn die Polizei von einer entspannten Lage spricht, ist das offensichtlich gelogen und Zeitungen, die das wiedergeben, lügen auch. Wenn die Polizei aber von Tatverdächtigen spricht, die „dem Aussehen nach aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum stammen“, ist das absolut glaubwürdig, da damit die Bestätigung des eigenen Vorurteils verbunden ist. Wenn die Polizei nun sagt, dass die bisherigen Erkenntnisse deutlich auf polizeibekannte Intensivtäter hinweisen, die mit Flüchtlingen nichts zu tun haben, wird das konsequent ignoriert, die haben ja schon gelogen.
Vielleicht sollten die Besorgten Bürger mal die Ermittlungen abwarten und dann ihr Urteil fällen oder ihre Empörung auf Themen lenken, wo der erschreckende Sachverhalt längst feststeht. Das allgemeine Desinteresse der Besorgten Bürger an solchen Themen hat Urban Priol vor Weihnachten schön zusammengefasst.
Und noch etwas:
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.