Das kann ja wohl nur ein schlechter Scherz gewesen sein. Die Wähler wünschen sich laut Umfrage angeblich Frank-Walter Steinmeier lieber als SPD-Kanzlerkandidaten oder halten ihn für geeigneter als beispielsweise Parteichef Sigmar Gabriel. Mehr Déjà-vu geht nicht.
Steinmeier war schon einmal Kanzlerkandidat der SPD und hat das schlechteste Ergebnis bei Bundestagswahlen für die Sozialdemokraten eingefahren. Mit seinem raschen Putsch an die Fraktionsspitze entkam er im Jahr 2009 einer Personaldiskussion und sicherte somit sein politisches Überleben und den nächsten Posten im aktuellen Merkel-Kabinett.
Der Wahlkampf zwischen Kanzlerin Merkel und ihrem Außenminister Steinmeier war damals von einem Nichtangriffspakt geprägt. Das Ergebnis war nicht nur das schlechteste Wahlergebnis für die SPD, sondern auch die niedrigste Wahlbeteiligung (70,8%) bei Bundestagswahlen überhaupt. Langeweile pur.
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Eine Legislaturperiode als schwacher Oppositionsführer und einen weiteren katastrophalen Wahlkampf später ist Steinmeier heute wieder Außenminister. Er rollte seine Koffer 2013 schon ins Auswärtige Amt als die Mitgliederbefragung über die GroKo an der Basis noch lief.
Steinmeier gefällt sich in der Rolle eines umsichtigen Politikers, der irgendwie schlau und verständnisvoll klingt. In dieser Woche meinte Steinmeier im Bundestag auf eine Frage zum Völkerrecht jedoch: „Wir sind hier nicht in einem Seminar.“
Sonst bemüht der SPD-Politiker gern mal Shakespeare, um seinen inhaltslosen Reden einen dramatischen Schliff zu geben. „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, sagt Steinmeier in diesen Tagen gern. Das schafft Aufmerksamkeit, wo Skepsis angesagt ist.
Dennoch: Gegen den Griesgram Gabriel, der häufig vor laufenden Kameras nur sichtlich genervt herum schnauzt, wirkt Steinmeier wie ein angenehmer Zeitgenosse, dem man etwas zutrauen könnte. Dabei wäre jeder Hydrant geeigneter, als irgendeiner aus der Verliererriege der SPD.
Leider haben das auch die Jusos in diesen Tagen nicht erkannt, als sie ihrem Parteivorsitzenden ein knappes ausreichend verpassten und sonst Angela Merkel ein gutes Zeugnis ausstellten, was wiederum die großen Sozialdemokraten doof fanden, obwohl die ja immer brav mit Merkel stimmen. Jämmerlicher kann es eigentlich kaum noch werden.
In vier Tagen ist Parteitag. Vorher hat die blasse Bundestagsfraktion noch schnell einem Kriegseinsatz zugestimmt, weil es die eigenen Minister wie Steinmeier wollten. Deren Dialektik ist kaum noch zu überbieten. Wir machen Krieg, wollen aber vor allem eine politische Lösung. Wer das verstehen will, braucht tatsächlich ein Seminar.
Aber genau das bietet die SPD genauso wenig an, wie eine Antwort auf die Frage nach der Dauer des Kriegseinsatzes. Dafür gibt es die nächste Diskussion um einen möglichen Kanzlerkandidaten. Das kommt wie gerufen. Denn wer Personaldebatten führt, ob von außen oder innen gesteuert, muss über inhaltliche Verfehlungen nicht weiter sprechen.
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.